Es wird immer enger – und teurer: Der Stau von Frachtschiffen wegen des andauernden Corona-Lockdowns in Shanghai stört globale Lieferketten enorm und wird für höhere Preise sorgen. Mehrere Experten verraten, wo genau es gerade Probleme gibt und welche Auswirkungen zu welchen Zeitpunkten in Deutschland zu erwarten sind.
"Auch in Deutschland werden die Lieferengpässe jetzt zu spüren sein", sagt Maximilian Butek, der Delegierte der Deutschen Wirtschaft in Shanghai. Das Exportvolumen des größten Hafens der Welt ist Schätzungen zufolge schon um rund 40 Prozent zurückgegangen.
Viele Unternehmen bekämen ihre Waren teilweise seit mehr als drei Wochen nicht mehr aus dem Land, sagt Butek. Alternative Lieferwege über andere Häfen reichten nicht aus, um den Ausfall abzufedern. "Die Verknappung des Angebots an Lieferungen aus China wird die bereits jetzt schon hohe Inflation in Deutschland weiter negativ beeinflussen."
Auto-Hersteller und Maschinenbauer könnten leiden
Die Sorgen der Reedereien wachsen. "Die maritimen Lieferketten waren schon vor dem Lockdown in Shanghai angespannt – nun befürchten wir weitere Verzögerungen im Seetransport", sagt die Präsidentin des deutschen Reederverbandes VDR, Gaby Bornheim. Es sei "Sand im Getriebe". Geduld sei jetzt nötig. Die Linien-Reedereien versuchten alles, um die Ladungsmengen zügig zu transportieren.
Die Probleme dürften sich in etwa zwei Monaten voll auf Deutschland auswirken, schätzt das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW). Die Güter seien etwa bis Hamburg 30 bis 40 Tage unterwegs, müssten danach noch weitertransportiert werden. "Dann könnte es etwa bei Elektronik-Artikeln wie Fernsehern oder Tablets oder bei Zwischengütern für die deutsche Produktion zu Verzögerungen kommen", sagte IfW-Handelsexperte Vincent Stamer. Das könnte beispielsweise Automobil-Hersteller oder Maschinenbauer treffen.
Lage am Hafen nicht das einzige Problem
Seit einem Monat herrschen in der 26 Millionen Einwohner zählenden Metropole Shanghai schon Ausgangssperren. Die Hafenstadt steht im Zentrum der größten Corona-Welle in China seit Beginn der Pandemie vor mehr als zwei Jahren. Mit Lockdowns, Massentests und Quarantäne verfolgt Pekings Führung eine strikte Null-Covid-Strategie, die aber durch die Omikron-Variante BA.2 auf eine schwere Probe gestellt wird.
"Die Schockwellen, die der Stillstand hier in China auslöst, sind noch gar nicht im vollen Umfang fassbar", sagt Butek. Es dürften Monate vergehen, um die Störungen in den Lieferketten zu beheben. Der Hafen in Shanghai sei an sich auch nicht das größte Problem. Die Schwierigkeit liege vielmehr wegen der strengen Corona-Maßnahmen im Transport der Waren mit Lastwagen.
"Das betrifft im Prinzip alle Warengruppen", erläutert der Delegierte. "Aber vor allem bei Elektronikartikeln und Rohstoffen oder Vorprodukten ist die Sorge groß." Der Lockdown betreffe mittlerweile alle Unternehmen – unabhängig von Branche oder Größe. Es gebe massive Beeinträchtigungen der Lieferketten, der Transport- und Logistik-Möglichkeiten oder beim Personal und in der Produktion.
"Niemand will noch ein Lastwagenfahrer sein"
Übereifrige lokale Behörden machen den meist selbstständigen Lastwagenfahrern das Leben schwer. Sie müssen eigens Durchfahrtsgenehmigungen beantragen, sich ständig testen lassen und den Quarantäne-Anforderungen einzelner Städte unterwerfen. Landesweit ist der Frachtverkehr schon drastisch zurückgegangen. Aber viele meiden besonders den Shanghaier Hafen.
"Niemand will noch ein Lastwagenfahrer sein", sagt der Vorsitzende der EU-Handelskammer in China, Jörg Wuttke. "Das Leben ist zu hart.“ Nach Schätzungen ist die Verfügbarkeit von Lastwagen in Shanghai um 40 Prozent zurückgegangen. Tendenz steigend. Container werden nicht abgeholt und stapeln sich. Lagerhäuser sind geschlossen. Gekühlte oder gefährliche Güter können nicht abtransportiert werden. „Das macht eine komplizierte Situation noch schwieriger.“
Bei Gesprächen mit dem Handelsministerium schlug die EU-Kammer vor, die Anforderungen für die Lastwagenfahrer in den sechs Provinzen im Jangtse-Delta zu vereinheitlichen. Straßensperren an Ausfahrten der Autobahnen müssten beseitigt und Lastwagenfahrer mit Nahrung und Rastplätzen versorgt werden. Der Verkehr müsse frei fließen können.
Die Krise ist aber noch lange nicht ausgestanden, da sich Omikron in China ausbreitet und die strengen Gegenmaßnahmen die zweitgrößte Volkswirtschaft in den Würgegriff nehmen. "Die Frage ist jetzt, ob China abrückt von der Null-Covid-Strategie oder weitere Großmetropolen in den Lockdown geschickt werden", sagt IfW-Experte Stamer. Je länger aber die Ausgangssperren anhalten, umso stärker wiegen die Auswirkungen – nicht nur auf Chinas Wirtschaft, sondern auch auf die globalen Lieferketten und den internationalen Handel.
Die chinesische Führung hat zwar bereits vor Tagen versprochen, die Wirtschaft zu unterstützen, auch in der vergangenen Handelswoche gab es aber kaum konkrete Maßnahmen. Ein Abrücken von der aktuellen Lockdown-Politik ist eher unwahrscheinlich. Damit bleibt die Lage in China vorerst ein Belastungsfaktor für Aktienkurse weltweit. Lichtblick: Es handelt es sich um ein temporäres Problem, das sich so oder so früher oder später erledigen dürfte.
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(mit Material von dpa-AFX)