Was soll schon an einem Radiosender, der klassische Musik spielt, so besonders sein? Die Klassik Radio AG aus Augsburg beweist das Gegenteil: Enorme Reichweitengewinne bescheren dem Nischenplayer stetig steigende Werbeeinnahmen und mehr Aufmerksamkeit. Im Gespräch mit DER AKTIONÄR verrät Vorstandsvorsitzender Ulrich R. J. Kubak die Strategie des Unternehmens und die Besonderheiten des neuen und vielversprechenden Streamingdienstes Klassik Radio Select.
DER AKTIONÄR: Was ist das Besondere an Klassik Radio unter den Sendern in Deutschland?
Ulrich R. J. Kubak: Das Format von Klassik Radio ist bis heute weltweit einzigartig. Es ist ein Hit-orientiertes Format mit einem unglaublich entspannten und inspirierenden Musikfluss, das unseren Zuhörern eine breite Palette an klassischer Musik, Filmmusik und New Classics bietet. Keiner – weder der Hörermarkt noch der Werbemarkt – hatten bis dahin auf ein solches Format gewartet, aber mit langem Atem und konsequenter Arbeit konnten wir die Marke Klassik Radio zu einer der größten Musikmarken in Europa aufbauen und mit unserem Format einen Trend setzen. Das spiegelt sich auch in den Zahlen der aktuellen Mediaanalyse MA 2018 Audio I wieder: Erstmalig ist Klassik Radio der Reichweitengewinner von über 371 teilnehmenden Angeboten, kein anderer Sender inklusive aller Popsender in Deutschland, hat mehr Hörer gewonnen als wir.
Sie sprechen die aktuelle Mediaanalyse an. Klassische Musik hat in Deutschland bisher ja eher ein Schattendasein gefristet. Wenn man sich den aktuellen Reichweitengewinn der Klassik Radio AG ansieht, scheint dies nicht mehr der Fall zu sein, oder?
Klassik Radio hat sich längst in der deutschen Radiolandschaft etabliert. Wir haben zuletzt einen sensationellen Reichweiten-Gewinn von 36 % erzielt – und das mit einem Klassik-Format. Wir erreichen jetzt knapp sechs Millionen Menschen, alleine in Deutschland. Das ist annähernd jeder 10te der über 20-jährigen Erwachsenen in Deutschland. Im gesamten Kontinental-Europa sind wir mit Abstand der größte Klassik Sender, da würde ich nicht über Schattendasein sprechen. Bereits seit Jahren sind wir zudem Vorreiter in der Digitalisierung von Hörfunk, so haben wir als erster Sender in Deutschland UKW-Frequenzen einfach zurückgegeben und dabei voll auf Streaming und DAB+ gesetzt und der Erfolg gibt uns zu 100% Recht.
Die Radiowerbung zählt zu Ihrem Kerngeschäft. Wie setzt sich dieses Geschäft zusammen?
Unser Hauptgeschäft bildet die Radiowerbung mit bis zu zwölf Minuten pro Stunde. Dabei steht uns ein Inventar im Verkaufswert von über 100 Millionen Euro Umsatz pro Jahr zur freien Verfügung. Und hier kommt das lukrative Geschäftsmodell von Radio zum Tragen: Jeder Euro Umsatz, der über den Fixkosten liegt, geht mit bis zu 80% direkt in das EBITDA. Das macht unser Geschäftsmodell äußerst attraktiv.
Wie kein anderer Radiosender betreiben wir sehr konsequent, rund um unsere starke Marke, eine 360° Wertschöpfung. Das fängt bei unserem Vertrieb an und geht zu unseren Onlineshops mit Musikprodukten und Digitalradios über eine digitale Auktionsplattform bis zu unseren eigenen Konzerttourneen mit über 150.000 Besuchern.
Wie sieht Ihr Vertriebsmodell konkret aus?
Anders wie der übrige Radiomarkt lassen wir uns nicht von fremden Vertriebsfirmen vermarkten, sondern vermarkten uns von der ersten Stunde an selbst mit zwei starken Unternehmen, die uns jeweils zu 100% gehören. So haben wir den direkten Kontakt zu unseren Kunden und schaffen zusätzlichen Unternehmenswert. Wir setzen hierbei auf zwei Vertriebsmodelle: Die Euro Klassik mit dem Key Account sowie einem innovativen Telesales für die vielen regionalen Accounts. So sind wir breit gefächert – wie kein anderer Sender und kommen punktgenau zu allen wertvollen Kundenpotenzialen, skaliert für nachhaltiges Wachstum. Wir bedienen Kunden ab 1.000 Euro Werbebudget bis hin zu Großkunden mit einer halben Million Euro Auftragswert; Ein starkes, von einzelnen Kunden unabhängiges, wirtschaftliches Fundament.
Wie dynamisch entwickelt sich das Werbegeschäft?
Wir glauben, dass wir in diesem Jahr weiter kräftig im Werbebereich zulegen können. Zusätzlich befeuert wird unser Wachstumsweg durch das steigende Interesse an Radiowerbung, da die Spendings in TV- und Print-Anzeigen zurückgehen und die Effizienz von Radio immer mehr genutzt wird. Dazu kommt: Sollten wir unsere jetzige Rekordreichweite auch in der Juli Media-Analyse halten, werden wir unsere Preisliste um genau diesen Wert anheben, das bedeutet jeder verkaufte Werbespot bringt uns dann bis zu 36% mehr Umsatz, mit dem gleichen Kunden.
Immer mehr Werbekunden sind von der Wachstumstory Klassik Radio begeistert, wir haben unsere Reichweite in den letzten zwei Jahren ja verdoppelt, das befeuert zusätzlich unser Neukundengeschäft.
Mit „Klassik Radio Select“ stoßen Sie in den Streaming-Markt vor. Was steckt hinter dem neuen Angebot?
Vor zwei Jahren haben wir begonnen, einen der weltweit ersten vertikalen Musik-Streaming-Dienste zu entwickeln. Im Dezember 2017 sind wir dann mit Klassik Radio Select an den Start gegangen. Dabei handelt es sich nicht um einen herkömmlichen Streaming-Dienst, wie Spotify, Amazon Music und Apple Music diesen anbieten.
Der große, feine Unterschied: Wir sind kein Suchdienst wie alle anderen, sondern ein Premium-Lieferdienst. Bei Klassik Radio Select gibt es eine Auswahl von über 100 kuratierten, feinen Radiosendern, von den bekanntesten und besten Komponisten und Künstlern der Klassik-Szene wie Rolando Villazón, James Newton Howard, André Rieu oder Till Brönner zusammengestellt und laufend gepflegt. Nachrichten und Informationen können mit einem Klick ein- und ausgeschaltet werden – je nach Gusto.
Die gesamte Entwicklung dieses ambitionierten „Start-ups“ wurde von uns aus dem eigenen Cash finanziert, trotzdem konnte unser Unternehmen im Geschäftsjahr 2017 das beste Ergebnis in der Geschichte des Unternehmens erzielen. Klappt der Markteintritt erfolgreich, kann der Streamingdienst die Klassik Radio AG in eine völlig neue, digitale Unternehmensbewertungsdimension mit weltweiter Wahrnehmung liften.
Herr Kubak, vielen Dank für das interessante Gespräch.
Gelingt es der Klassik Radio AG den Streamingdienst Klassik Radio Select "zum Gamechanger" zu machen, steht die hochspekulative Aktie vor einer Neubewertung.