BioNTech hat zu Beginn der Woche Anleger rund um den Globus in Ekstase versetzt, einen regelrechten Kaufrausch ausgelöst. Zuvor gemiedene Werte wie Lufthansa oder TUI sprangen plötzlich im Wert in die Höhe, Kurse von Krisen-Profiteuren wie Shop Apotheke Europe indes gaben deutlich nach. Ob Hype oder Trend – ein Kommentar von AKTIONÄR-Chefredakteur Leon Müller.
Seit über 20 Jahren vergeht kein Tag, an demich nicht zumindest einmal einen Blick auf die Börse werfe – ohnehin, seit ich 2007 zum AKTIONÄR gestoßen bin. Und in all dieser Zeithabe ich nie erlebt, dass eine einzelne Meldung – einvermeintlich so unbedeutendes Event – die Börsen rund um den Globus so dermaßen in Ekstase versetzt, wie dies jetzt geschehen ist. BioNTech, dieses vergleichsweise kleine Unternehmen, hat am vergangenen Montag einen regelrechten Kaufrausch bei Investoren ausgelöst. Die Verkündung außerordentlich guter Studiendaten in Zusammenhang mit der Entwicklung eines Coronavirus-Impfstoffes hat die Sorgen vieler ein wenig verblassen lassen, die Pandemie hielte uns noch Jahre in Atem.
BioNTech hat seinen Firmensitz „An der Goldgrube 12“ in Mainz. Einer Goldgrube glich in diesen Tagen auch der Aktienmarkt. Lufthansa, Ryanair, TUI, CTS Eventim – Aktien, zuvor verprügelt, erlebten eine sonderbare Renaissance, stiegen im deutlich zweistellen Prozentbereich. Der vom AKTIONÄR initiierte Recovery Index (WKN SL0ALN) erklomm sogleich einen absoluten Rekordstand.
Seit Montag gilt scheinbar: In ist, was out war. Merke: In eine Grube kann man fallen, aber auch wieder aus ihr herausklettern. Aktien von HelloFresh, Delivery Hero, ShopApotheke Europe warfen Anleger mit beiden Händen auf den Markt, schneller als Gesundheitsminister Jens Spahn „Corona“ sagen kann. Und ich bin mir sicher, bei einigen zuvor gehypten Titeln ist noch Luft – nach unten. HelloFresh und Shop Apotheke zähle ich nicht dazu.
Um auf den Einstieg zurückzukommen: Die BioNTech-Meldung hat enorme Wertveränderungen hervorgerufen. Die 30 DAX-Unternehmen gewannen 54 Milliarden an Wert. Beim Dow Jones waren es 85 Milliarden, im sehr breit gefassten Russell 3000 Index schier unglaubliche 381 Milliarden und beim Euro Stoxx 600 nochmals höhere 405 Milliarden. Bei aller Ekstase und Euphorie: Das Pendel schlug wie erwähnt auch in die andere Richtung aus. Der Goldmarkt erlebte einen schwarzen Montag. Doch auch am Aktienmarkt gab es große Verlierer: Der Nasdaq100 büßte 318 Milliarden an Wert ein. Tech-Aktien – die Profiteure der Krise – waren plötzlich alles andere als en vogue.
Wenn ich etwas in diesen über 20 Jahren gelernt habe, dann das: Man sollte Momente nicht überbewerten. Der BioNTech-Moment, dieses Billionen-Event, war zweifelsohne ein großer. Aber eben auch nur das. Tech-Werte werden wieder gefragt sein, Gold gesucht, Aktien im Allgemeinen werden langfristig weiter an Wert gewinnen. Manche Verhaltensänderungen werden bleiben. Die Digitalisierung wird sich weiter beschleunigen – das ist kein Hype. Eher schon das, was bei manchen Touristik-Aktien im weitesten Sinne passiert ist. Denn: Reisen ist heute schon anders und wird auch in Zukunft anders aussehen. Um das zu erahnen, muss man nur das Gespräch mit Unternehmern und Managern suchen oder sich im privaten Umfeld umhören. Anleger sollten hier also auf der Hut sein. Aber das sollten sie eigentlich immer. In diesem Sinne: Gute Kurse!
Dieser Kommentar ist erschienen in DER AKTIONÄR, Ausgabe 47/2020, die Sie hier als E-Paper lesen können.
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