Kurzfristig leidet Infineon zwar unter den branchenüblichen Problemen. Mittelfristig dürfte es dem Konzern jedoch gelingen, die Wettbewerber hinter sich zu lassen. Mit dazu beitragen wird die Übernahme des US-Wettbewerbers Cypress Semiconductor. Analysten senken nach einem Investoren-Call zur Autosparte die Kursziele, bleiben in Summe aber unverändert bullish.
Nach Jahren mit Wachstum aus eigener Kraft kündigte Infineon im Juni an, für neun Milliarden Euro den US-Konkurrenten Cypress Semiconductor übernehmen zu wollen. Die Finanzierung steht. Nach dem Zukauf würde der DAX-Konzern die Nummer eins bei Chips für den Automobilmarkt werden, mit denen schon jetzt die Hälfte des Gesamtumsatzes generiert wird. „Mit der Transaktion können wir unseren Kunden das umfassendste Portfolio für die Verbindung der realen mit der digitalen Welt anbieten. Damit erschließen wir große zusätzliche Wachstumspotenziale in den Bereichen Automobil, Industrie und Internet der Dinge“, so Vorstand Reinhard Ploss. Außerdem mache diese Transaktion das Geschäftsmodell noch robuster. Schon jetzt bedient der Konzern mit seiner Technologie für assistiertes und elektrisches Fahren Felder, die andere Wettbewerber nicht so stark ansteuern.
Stimmen die US-Wettbewerbsbehörden zu, soll der Zukauf bis Anfang 2020 abgeschlossen sein. Der Konzern erwartet im Anschluss erste Kostensynergien. Die volle Wirkung in Höhe von 180 Millionen Euro soll sich ab 2022 entfalten. Dazu kommen erhebliche Umsatzsynergien von 1,0 bis 1,5 Milliarden Euro, die sich aber auch erst zwischen 2025 und 2028 einstellen dürften.
Kurzfristig spürt Infineon jedoch den gesamtwirtschaftlichen Gegenwind – auch im Geschäft mit den Autochips. Nach einer Telefonkonferenz zur Entwicklung der Automotive-Sparte mit Divisionsleiter Peter Schiefer fällt das Urteil der Analysten eindeutig aus. Kurzfristig sieht sich der Halbleiterhersteller mit einer gewissen Margenschwäche konfrontiert, aber die längerfristigen Aussichten bleiben stark.
Im Anschluss an den Call passten die Experten ihre Schätzungen an und senken ihr Kursziel, meist um einen Euro. Aber selbst die neuen Ziele liegen im Schnitt bei 19,64 Euro und damit noch immer rund 21 Prozent über dem aktuellen Kursniveau.
Offizielle Zahlen für das vor wenigen Tagen beendete Geschäftsjahr 2018/19 gibt es am 12. November. Die im März gesenkte Prognose dürfte aber auch dank eines starken Dollars erreicht worden sein. In den ersten Monaten 2019/20 sollte der Chiphersteller wie alle Wettbewerber weiter von der Investitionszurückhaltung samt Margendruck ausgebremst werden – auch in der wichtigen Automotive-Sparte. Ab dem zweiten Halbjahr sollte die Talsohle in Sachen Profitabilität dann durchschritten sein und die Marge dank der besseren Saisonalität und einer höheren Produktionsauslastung wieder spürbar und dank der Cypress-Übernahme auch nachhaltig anziehen.
Die strukturellen Treiber bei Infineon sind intakt. Das Automotive-Segment dürfte der wichtigste Impulsgeber bleiben. Anleger mit Weitblick können das aktuelle Niveau daher zum Auf- oder Ausbau einer Position nutzen.