Hans A. Bernecker ist Kult, sein Wort hat bei den Anlegern Gewicht. Zuletzt stand er dem AKTIONÄR Rede und Antwort und schilderte seine Sicht der Dinge. Von Crash-Propheten hält Bernecker rein gar nichts, er ist durchaus positiv für den Aktienmarkt gestimmt.
DER AKTIONÄR: Herr Bernecker, was halten Sie von den Aussagen des Analysten Albert Edwards, dass die Aktienmärkte vor dem Crash stehen und der DAX auf 3.000 Punkte fällt?
Hans A. Bernecker: Wer so etwas sagt, muss Drogen genommen haben. Das ist Quatsch. Der DAX ist keinesfalls zu teuer. Richtig ist, dass die Amerikaner seit Beginn der QE-Politik im Jahr 2009 fünf Billionen Dollar frisches Geld geschaffen haben. Die Unternehmenswerte an der Wall Street sind aber um acht bis neun Billionen Dollar aufgebläht worden. Das heißt, dass der US-Aktienmarkt nicht 17, sondern eher 13 bis 14 Billionen Dollar wert sein müsste. Es steckt vor allem in den großen Internet-Aktien viel Luft. Diese Luft müsste eigentlich raus. Es sei denn, die Unternehmen entwickeln sich gut und schaffen neue Werte.
Wie schätzen Sie das Risiko einer Rezession in den USA ein?
Das ist einfach nicht da. Konjunkturkrisen entstehen aus Finanzkrisen. Das war schon immer so. Wir müssen uns fragen: Gibt es eine Finanzkrise wie in den Jahren 2008/09, einen zweiten Fall Lehman Brothers? Die Wahrscheinlichkeit einer solchen Krise ist nach den jetzt vorliegenden Erkenntnissen deutlich geringer geworden. Denn wir wissen, dass bei einer sich anbahnenden Gefahr die Institutionen sofort bereitstehen werden, um das aufzufangen. Das war bei Lehman nicht der Fall. Kurzum: Die Amerikaner werden keine neue Rezession erleben, aber sie kommen beim Wachstum nicht weiter. Das ist richtig.
Wie groß ist die Rezessionsgefahr für Europa?
Hier gilt das Gleiche wie in Amerika. Ich will eine Finanzkrise nicht ausschließen, sollte Italien umfallen. Eine Krise in Italien halte ich für wahrscheinlich. Nur die Italiener werden dies auffangen können, weil ein Großteil der italienischen Staatsschulden bei den Italienern liegt. Italien wird das meistern. Die Wahrscheinlichkeit einer Finanzkrise, die auf Europa durchschlägt, halte ich deswegen für sehr gering. Und das wäre ja die Voraussetzung für eine Wirtschaftskrise.
Wie sehen Sie die Entwicklung an den Börsen? Es ist ja sehr schwierig, dies momentan einzuschätzen.
Nein, das ist überhaupt nicht schwierig. Die Börsen haben – sieben Jahre in Amerika, drei Jahre in Europa – von den Gelddruckmaschinen der jeweiligen Zentralbanken gelebt. Die Europäische Zentralbank ist genau an die Grenze gestoßen, wo sie nicht mehr weiter kann. Die Folge ist: Ich habe einen Markt vor mir, der sich nicht mehr auf Super-Mario stützen kann, sondern auf die Fakten. Es wird eine Fakten-Börse geben, die sich an den ökonomischen Fakten eines jeden einzelnen Unternehmens orientiert. Und die Ertragsqualität der DAX-Firmen, deren Nachhaltigkeit, ist ja nun wirklich überzeugend.
Die Marktteilnehmer schauen eher auf die Ausblicke als auf die Vergangenheitszahlen, oder?
Richtig. Es wird zunächst auf die Zahlen geschaut, was in der Regel zu kleineren Korrekturen führt, und dann auf die Erwartung. Jeder Marktteilnehmer orientiert sich daran, was das jeweilige Unternehmen zu sagen hat, ob positiv oder negativ. Und daraus entsteht der Aktientrend, der eigentlich die Summe aus lauter Einzelbewertungen ist. Und dieser Trend ist positiv.
Wer ist in den kommenden Monaten besser dran: Stock-Picker oder der, der auf den breiten Markt setzt?
Stock-Picker. Wie gesagt: Einige Werte, wie Internet-Aktien, sind recht teuer bewertet. Deswegen ist es besser, sich mit jeder einzelnen Aktie auseinandersetzen. Aber das macht das Investieren auch interessant und spannend.
Wo sehen Sie den DAX Ende 2016?
Ich halte 12.000 Punkte auf jeden Fall für machbar, wobei ich sagen muss, dass die Vorwahlspekulation in Amerika eine sehr entscheidende ist. Als bei den Präsidentschaftswahlen 1980 Reagan gegen Carter antrat, begann im Juli eine Art Vorspekulation auf einen Wahlsieg des Republikaners Reagan. Ich vermute, dass es eine ähnliche Spekulation geben wird. Sollte Trump tatsächlich gewinnen, dürfte aber die erste Reaktion negativ ausfallen.
Vielen Dank für das Interview.