Selten hat eine DAX-Aktie einen so heftigen Tiefflug hingelegt wie die Deutsche Bank. Ganz offensichtlich hat die Börse wenig Vertrauen in John Cryan, dass der Brite den deutschen Marktführer wieder auf Kurs bringt. Zurecht?
Am 7. Juni meldete die Deutsche Bank, dass John Cryan neuer Konzernchef wird. Die Aktie reagierte mit einem Freudensprung, schließlich bescheinigten Experten dem Briten doch exzellente Saniererqualitäten. Auch in den ersten Wochen nach Amtsübernahme entwickelte sich der Aktienkurs gut – doch dann ging es abwärts. Erst langsam, dann immer schneller.
Mittlerweile ist Cryans Bilanz aus Sicht der Aktionäre eine Katastrophe: 42,3 Prozent hat der Kurs verloren, seitdem Cryan an der Macht ist. So viel Kapital in so kurzer Zeit haben nicht wenige DAX-Konzernchefs vernichtet.
Laut der überwiegenden Mehrheit der Analysten übertreibt die Börse maßlos. Auch diejenigen Analysten, deren Einschätzung „Neutral“ oder „Halten“ lautet, sehen beachtliches Kurspotenzial. Die Schweizer Bank Credit Suisse etwa hat am Dienstag ihr „Neutral“-Rating belassen, allerdings das Kursziel von 25 auf immerhin noch 20 Euro gesenkt. Die Eigenkapitalsituation des größten deutschen Geldhauses werde herausfordernder, schrieb Analyst Mohamed Souidi in einer Studie vom Dienstag. Er reduzierte seine Gewinnschätzungen (EPS) für die Jahre 2016 bis 2018 um bis zu 33 Prozent.
Unbeantwortete Fragen
John Cryan ist nicht so schlecht, wie der Aktienkurs impliziert. Ganz im Gegenteil, er ist ein knallharter Sanierer, der bei der Deutschen Bank so richtig aufräumen wird. Allerdings wird es lange dauern, bis wirkliche Fortschritte zu erkennen sein werden. Außerdem hat Cryan die wichtigste aller Fragen noch nicht beantwortet: Wie will die Deutsche Bank in Zukunft Geld verdienen? Was wird die Cash-Cow sein? Solange die Börse hier keine Antworten hat, können die Anleger lange auf eine nachhaltige Trendwende warten. Derzeit eignet sich der Titel höchstens für mutige Trader.
(Mit Material von dpa-AFX)