Der historische Fehlstart an den Börsen steckt vielen Investoren in den Knochen. Das Minus seit dem Jahresbeginn beträgt rund 17 Prozent. Böse Erinnerungen an das Krisenjahr 2008 werden wach. Doch die Bullen müssen den Kopf noch nicht in den Sand stecken.
Allein in der vergangenen Woche ging es für den DAX wieder 4,5 Prozent abwärts. Pessimisten sehen den heimischen Aktienmarkt auf dem sehr negativen Pfad des Krisenjahres 2008. Damals war der Leitindex im Zuge der Finanzkrise peu a peu abgerutscht und hatte das erste Quartal schließlich mit einem Minus von rund 19 Prozent beendet. Am Jahresende war der deutsche Leitindex sogar um rund 40 Prozent abgesackt.
Wie vor acht Jahren werden die Kursrückgänge im DAX kaum noch zum Aufstocken von Aktienpositionen genutzt. Vielmehr nutzten Anleger Kurserholungen, um ihre Aktienpositionen weiter zu reduzieren. Eine Abwärtsspirale. „Risikovermeidung scheint momentan oberstes Anlegergebot zu sein“, sagt Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse der Baader Bank „Der DAX bewegt sich seit seinem Zwischenhoch Ende November in einem Bärenmarkt.“
Die Baisse nährt die Baisse, heißt es auf dem Parkett der Frankfurter Wertpapierbörse. Spekulationen und falsche Annahmen führen zu starken Abwärtsbewegungen. Die Finanzmärkte sind mittlerweile in Gefahr, sogenannte sich selbsterfüllende Auswirkungen zu schaffen. Diese könnte sich im schlimmsten Fall sogar tatsächlich auf die Realwirtschaft übertragen. Um dieser Abwärtsspirale zu entkommen, setzen die Bullen auf die Zentralbanken. EZB-Präsident Mario Draghi könnte im Rahmen seiner Anhörung vor dem EU-Parlament am Montag ein solches Signal abgeben – doch irgendwann muss er den Worten auch Taten folgen lassen.
Anleger werden daher aber auch die Wirtschaftsnachrichten der neuen Woche darauf abklopfen, was sie für die Geldpolitik der US-Notenbank Fed bedeuten. Bereits seit Wochen geht die Sorge um, dass Janet Yellen mit einer zu harten Gangart die Konjunktur abwürgt. Zuletzt hatte die Fed-Vorsitzende zwar vor Wachstumsrisiken gewarnt, sich aber auch zuversichtlich zum Zustand der US-Wirtschaft geäußert. Neue Erkenntnisse über das Vorgehen der Fed erhoffen sich die Investoren auch von dem Protokoll der Notenbanksitzung von Ende Januar, das am Mittwoch veröffentlicht wird.
Unter Analysten ist aber auch umstritten, ob der Kursverlauf des Jahres 2008 wirklich Rückschlüsse auf die DAX-Entwicklung im laufenden Jahr zulässt. Auch Commerzbank-Experte Andreas Hürkamp hat seinen Optimismus noch nicht verloren: "Trotz des anhaltend niedrigen Ölpreises und der Krisensignale aus dem Bankensektor teilen wir nicht den Pessimismus der Aktienmärkte." So werde China dank der Maßnahmen des Staates und der Notenbank wohl einen konjunkturellen Absturz vermeiden. Zudem hält Hürkamp eine Rezession in den USA für unwahrscheinlich, weil dort die Hauspreise stiegen und der Arbeitsmarkt robust sei.
Auch Analystin Claudia Windt von der Landesbank Helaba richtete ihren Blick gen Westen: In der neuen Woche sollten am Mittwoch die Daten zur US-Industrieproduktion für Januar mit dazu beitragen, die Rezessionsängste der Marktteilnehmer zu zerstreuen. Gleichzeitig bleibe die Inflation energiepreisbedingt niedrig und befördere weiter den Konsum.
Ab Montag schauen die Anleger aber auch wieder nach Fernost. Auf dem chinesischen Festland wurde in der vergangenen Woche wegen der Feierlichkeiten zum chinesischen Neujahresfest nicht gehandelt. Die Börsen in Shanghai und Shenzen blieben die gesamte Woche geschlossen. Zum Start stehen am Montag gleich die chinesischen Außenhandelsdaten im Fokus. Keine Impulse kommen am Montag aus den USA, dort bleiben die Börsen wegen eines Feiertages geschlossen.
Schließlich werden in der neuen Woche weitere Unternehmen ihre Zahlen vorlegen. Den Anfang macht am Montag der Automotive-Dienstleister Bertrandt, bevor am Dienstag der Baustoffkonzern HeidelbergCement und der Triebswerkhersteller MTU ihre Bücher öffnet. Zur Wochenmitte stehen dann mit dem Konsumgüterhersteller Beiersdorf und der Deutschen Börse gleich zwei DAX-Unternehmen auf der Agenda, wobei der Börsenbetreiber erst am Abend seine Geschäftszahlen vorlegt. Hinzu kommen am Mittwoch noch der Roboterhersteller KUKA sowie die Automobilzulieferer Norma und Stabilus. Am Donnerstag dann blicken die Anleger auf den Versandhändler für Büroausstattungen Takkt und den Sportartikelhersteller Puma. Zum Wochenschluss am Freitag schließlich rücken der Versicherer Allianz und der Schmierstoffhersteller Fuchs Petrolub in den Fokus.
Die jüngste Talfahrt könnte aber auch bei vielen Werten gute Einstiegschancen bieten. „Die Aktienmärkte haben im Zuge der Korrektur eine deutliche Verbesserung der Bewertungsindikatoren gesehen, viele Unternehmen werden am Aktienmarkt so tief bewertet wie seit vielen Jahren nicht mehr“, schreibt die DZ Bank. „Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung zunächst noch gehemmt verlaufen sollte, scheinen die Abschläge übertrieben.“
Beflügelt durch den starken Anstieg der Ölpreise startete der DAX bereits am Freitag einen erneuten Erholungsversuch. Kann sich der Leitindex über dem ehemaligen Widerstand bei 8.900 Punkten etablieren, könnte es im Anschluss in den kommenden Tagen zunächst bis in den Bereich um 9.325 Punkten gehen. Im nervörsen Marktumfeld muss aber auch jederzeit mit der dynamischen Fortsetzung der Abwärtsbewegung gerechnet werden. Die nächste massive Unterstützung wartet dann erst bei 8.355 Punkten. Mehr zum DAX sehen Sie im täglichen DAX-Check im aktionaer.tv oder lesen Sie an dieser Stelle.
(Mit Material von dpa-AFX)