Die Daimler-Aktie war auf dem besten Weg zum Kaufsignal. Jetzt gerät das technische Konstrukt in Gefahr, weil der Konzern die Dieselaffäre offensichtlich unterschätzt hat. Wie das Unternehmen am Sonntag überraschend mitteilte, steht die Gewinnprognose auf der Kippe. Statt eines Anstiegs des Konzernergebnisses vor Zinsen und Steuern um fünf bis 15 Prozent rechnet das Unternehmen fortan nur mit einem Ergebnis auf Vorjahresniveau. Da standen zwar immerhin 11,1 Milliarden Euro zu Buche – Analysten hatten jedoch für 2019 mit durchschnittlich 11,8 Milliarden Euro gerechnet. Die Gewinnwarnung kommt zur Unzeit.
Den Autobauer Daimler holt die Affäre um mutmaßlich manipulierte Dieselmotoren mehr und mehr ein. Weil die Stuttgarter nun einen hohen dreistelligen Millionen-Euro-Betrag für laufende behördliche Verfahren und die Dieselumrüstung von Mercedes-Benz Dieselautos zurücklegen, wird es dieses Jahr wohl nichts mit den ursprünglich ausgelobten Gewinnaussichten. Der erst seit einem Monat amtierende neue Konzernchef Ola Källenius und sein ebenfalls erst jüngst angetretener Finanzvorstand Harald Wilhelm starten damit mit einer hohen Bürde in ihre neuen Aufgaben.
2018 hatte der Daimler-Konzern im laufenden Geschäft 11,1 Milliarden Euro verdient. Analysten rechneten für das laufende Jahr im Schnitt zuletzt noch mit einem Anstieg des Ergebnisses auf 11,8 Milliarden Euro. Daraus dürfte nun nichts mehr werden.
Maßgeblich für die Neueinschätzung der Ergebnisaussichten sei ein Anstieg der erwarteten Aufwendungen für verschiedene laufende behördliche Verfahren und Maßnahmen betreffend Mercedes-Benz Dieselfahrzeuge, hieß es vom Konzern. Bereits im vergangenen Jahr hatte Daimler seine Aktionäre mit einer Gewinnwarnung enttäuscht - und diese damals mit nahezu gleichem Wortlaut begründet. 2018 hat das Unternehmen unter anderem für die Umrüstung von Dieselmotoren einen mittleren dreistelligen Millionen-Betrag aufwenden müssen - und das ohne Rückstellungen gerechnet.
Am Freitag erst hatte das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) einen Rückruf für 60.000 Autos vom Typ Mercedes-Benz GLK 220 angeordnet. Das KBA habe im Rahmen seiner Untersuchungen bei verschiedenen Herstellern bei diesen Mercedes-Modellen der Euro-5-Norm eine unzulässige Abschalteinrichtung der Abgasreinigung festgestellt, erklärte das Bundesverkehrsministerium.
Vergangenen August hatten die Behörden einen Rückruf von europaweit 690.000 Dieseln des Konzerns angeordnet. Betroffen vom Verdacht der illegalen Abschalteinrichtungen waren der Kleintransporter Vito sowie unter anderem Varianten der C-, E- und S-Klasse oder der SUVs GLC, GLE und GLS. Daimler bestreitet, illegale Abschalteinrichtungen verwendet zu haben.
Ohnehin laufen die Geschäfte aber nicht mehr so rund, weil auch die Handelsstreitigkeiten zwischen China und den USA die Branche belasten, genauso wie die Einführung neuer Abgas- und Verbrauchstests in der EU. Ex-Chef Dieter Zetsche musste in seiner letzten eigenen Jahresbilanz für das vergangene Jahr einen herben Gewinneinbruch verkünden.
Zetsche hat es Källenius überlassen, die Details festzulegen, an welcher Stelle im Konzern künftig der Gürtel wie eng geschnallt werden muss. Details dazu blieb der Schwede aber bisher schuldig. Am 22. Mai erst hatte Källenius das Ruder von Zetsche übernommen, der nach über 13 Jahren an der Konzernspitze sein Amt abgab. Nach einer Abkühlungsphase will sich Zetsche in zwei Jahren in den Aufsichtsrat wählen lassen.
Zum Wochenstart dürfte die Daimler-Aktie im Mittelpunkt stehen. Die Gewinnwarnung dürfte den Kurs belasten – das erhoffte Kaufsignal damit auf sich warten lassen.
Mit Material von dpa-AFX
Hinweis: Der Vorstandsvorsitzende und Mehrheitsinhaber der Herausgeberin Börsenmedien AG, Herr Bernd Förtsch, ist unmittelbar und mittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate eingegangen, die durch die durch die Publikation etwaig resultierende Kursentwicklung profitieren: Daimler.