Hans A. Bernecker ist 80 Jahre alt und kennt die Börse wie kaum ein anderer. Im Gespräch mit dem AKTIONÄR äußerte er sich zum Handelsstreit zwischen den USA und China, zur laufenden Berichtssaison und natürlich zu den Chancen des DAX. Anleger werden dies sehr gerne lesen.
DER AKTIONÄR: Herr Bernecker, wo sehen Sie den DAX am Jahresende?
Hans A. Bernecker: Ich rechne mit einem DAX-Stand zwischen 14.000 und 14.500 Punkten. Dies ergibt sich aus den durchschnittlichen Gewinnschätzungen für 2019 und einem KGV zwischen 14 und 14,5.
Bereitet Ihnen der Handelskrieg zwischen den USA und China keine schlaflosen Nächte?
Ich halte diese Ängste für überzogen, so wie bei Brexit oder Griechenland. Die Ängste müssen aus den Köpfen der Anleger verschwinden und dies wird sicherlich nicht in drei Wochen zu machen sein. Aber dieser Zollkonflikt muss sein, denn das Defizit der Amerikaner im Handel mit China ist definitiv zu groß. Das heißt, Trump muss handeln und nicht nur in kleinen Schritten. Die Frage ist jetzt, wie schnell er die Chinesen an den Verhandlungstisch bekommt und die ihren Markt für amerikanische Waren öffnen.
Damit dürften die Chinesen aber ein Problem haben.
Das stimmt. Sie können Google und Facebook nicht ohne Weiteres ins Land lassen. Damit ist womöglich das gesamte politische Konzept der kommunistischen Partei auf den Kopf gestellt. Wie die Chinesen das machen können, kann ich nicht beurteilen, aber sie müssen den Markt öffnen, Fusionskontrollen, Investitionsbeschränkungen und solche Hemmnisse beseitigen.
Wie wird denn die Berichtssaison hierzulande ausfallen? Im Vergleich zu den USA sind die Erwartungen deutlich geringer.
Die Zahlen brauchen gar nicht besonders toll ausfallen, es reicht, wenn die Firmen solide Ergebnisse liefern. Auf Basis der Konsensschätzungen kommt der DAX auf ein KGV von 11,5; damit ist er der billigste Markt der Welt. Diese Unterbewertung wird Stück für Stück abgebaut, je nachdem, wie schnell sich die psychologischen Bedingungen verbessern.
Haben Sie Angst, dass es in den USA einmal richtig scheppert?
Dazu müsste ein Unfall à la Lehman passieren. Ich sehe das im Moment nicht, kann es aber auch nicht ausschließen. Zu kleineren Unfällen wie bei LTCM 1998 kann es kommen, doch ein Markt, der in der Breite so stabil und 24 Billionen Dollar schwer ist, federt so etwas sehr schnell ab. Problematisch könnte werden, wenn die Leute ihr Geld aus den ETFs abziehen. Diesen Knoten zu lösen, das braucht Zeit.