Der Streaming-Dienst Netflix hat über sechs Monate hinweg das Sehverhalten von rund 77 Millionen Abonnenten in über 20 Ländern analysiert. Das Ergebnis beweist, dass sich die Gewohnheiten der Zuschauer innerhalb kurzer Zeit spürbar verändern – und dass Netflix neben dem Content einen weiteren Schatz hütet.
Rund vier Jahre ist es mittlerweile her, dass Netflix alle Folgen der ersten Staffel von „House of Cards“ auf einmal als Stream bereitgestellt hat und damit das Phänomen des „Binge-Watching“ erschaffen hat.
Statt über Monate hinweg Woche für Woche zur gleichen Zeit vor dem Fernseher zu sitzen um eine, vielleicht zwei Folgen der Lieblingsserie zu sehen, können sich Serien-Junkies ihre Dosis bei Netflix abholen, wann es ihnen passt – und wenn es gerade besonders spannend ist, dann auch eine ganze Serien-Staffel am Stück.
Bei Netflix ist immer 20.15 Uhr
„Über viele Jahre mussten wir unser Leben um das Fernsehprogramm herum planen, nun ist es genau umgekehrt”, sagt Cindy Holland, Vice President of Original Content. „Wir haben den Zuschauern die Kontrolle gegeben und es ist spannend zu sehen, wie sich das Sehverhalten ändert und sich diese neuen Verhaltensmuster weltweit beobachten lassen, wenn man nicht an einen festen Zeitplan gebunden ist.“
Um herauszufinden, was genau sich geändert hat, hat das Unternehmen über ein halbes Jahr hinweg die Streaming-Daten an Wochentagen von 77 Millionen Mitgliederkonten auf der ganzen Welt ausgewertet.
Morgens und abends Comedy, mittags Drama
Während im klassischen Fernsehen auf vielen Sendern Frühstücks- und Nachrichtenmagazine das Morgenprogramm dominieren, starten Netflix-Seher am liebsten mit einer Komödie in den Tag: Zwischen 6.00 und 8.00 Uhr ist der Abruf von Comedy-Serien wie „Friends“, „Fuller House“ oder „Modern Family“ 34 Prozent höher als zu anderen Tageszeiten.
Zwischen 12.00 und 14.00 Uhr darf es dagegen schwere Kost sein. Fast die Hälfte der Mitglieder (47 Prozent) – und damit fünf Prozent mehr als zu anderen Zeiten – streamen mittags Drama-Serien wie „Orange is the New Black“, „Narcos“ oder „Bloodline“. Besonders fleißig wird zur Mittagszeit übrigens in Brasilien gestreamt: Dort sind in diesem Zeitraum 25 Prozent mehr Nutzer online als im Rest der Welt.
Doch auch danach ist bei vielen noch nicht Schluss: Im Schnitt erfolgen rund 15 Prozent der weltweiten Streaming-Abrufe nachts zwischen Mitternacht und 6.00 Uhr morgens. In Japan und Südkorea sind es sogar 21 Prozent. Beachtlich dabei: Die Nachteulen sind offenbar besonders wissbegierig, denn der Abruf von Dokumentationen liegt in diesem Zeitraum 24 Prozent über dem Durchschnitt.
Big Data als Erfolgsgarant
Durch den Verzicht auf Mittelsmänner und den direkten Draht zum Abonnenten erhält Netflix auch unmittelbare Rückmeldung und eine Fülle an Daten von den Nutzern. Darauf beruht auch der Algorithmus, der auf den einzelnen Nutzer zugeschnittene Empfehlungen aus dem schier endlosen Content-Katalog auswählt. Er gilt nicht nur als einer der Besten der Branche, sondern ist auch das Herz von Netflix. Zu wissen, wer was zu welcher Zeit sehen möchte, ist für die Content- & Marketingplanung unglaublich wertvoll.
Bei der Recode-Conference sagte Netflix-Chef Reed Hastings am Mittwoch zwar, dass ihm Flops nichts ausmachen und ein Zeichen dafür seien, dass man Neues ausprobiere anstatt mit dem Mainstream zu gehen. Allzu viele Fehlschläge sollte sich das Unternehmen mit einem Konzernumsatz von rund 8,8 Milliarden Dollar im Vorjahr und geplanten Content-Ausgaben in Höhe von sechs Milliarden Dollar im laufenden Jahr trotzdem nicht leisten.
Gewinne laufen lassen!
Neben dem Exklusiv-Content, den Netflix auch hervorragend zu vermarkten weiß, sind die Nutzerdaten und Algorithmen im Hintergrund einer der wichtigsten Faktoren für den großen Erfolg des Streaming-Dienstes sowie für zukünftiges Wachstum. DER AKTIONÄR ist überzeugt, dass Netflix mit dieser Strategie auf dem richtigen Weg ist. Entsprechend können investierte Anleger die Gewinne laufen lassen und Neueinsteiger an schwächeren Tagen zugreifen.