Nach hitzigen Diskussionen im Vorfeld ist die Weltpremiere der Netflix-Produktion „Okja“ bei den Filmfestspielen in Cannes am Freitag nach anhaltenden Buh-Rufen des Publikums unterbrochen worden. Schaden dürfte das dem Unternehmen allerdings nicht – im Gegenteil, schließlich ist der Film nun erst recht in aller Munde.
In diesem Jahr ist Netflix erstmals mit zwei Eigenproduktionen beim legendären Filmfest in Cannes vertreten: dem Actionfilm „Okja“ mit Tilda Swinton und Jake Gyllenhaal in den Hauptrollen sowie „The Meyerowitz Stories“ mit Adam Sandler und Ben Stiller. Und auch wenn die beiden Streifen laut Jury-Präsident Pedro Almodóvar keine Chancen auf den Gewinn einer Goldenen Palme haben, bringt die die bloße Teilnahme von Netflix die französische Filmwirtschaft auf ebendiese.
Netflix vs. Kino
Hintergrund des seit Wochen schwelenden Streits ist die Weigerung von Netflix, die beiden Filme auch in französischen Kinos zu zeigen. In diesem Fall hätte Netflix laut einer französischen Regelung zum Schutz der heimischen Kinokultur nämlich 36 Monate warten müssen, ehe die Eigenproduktionen auch im Internet gestreamt werden dürfen.
Nach heftigen Protesten französischer Medien, Kinobetreiber und Filmverleiher sah sich die Festivalleitung genötigt, kurzfristig die Statuten zu ändern: Ab 2018 dürfen in Cannes nur noch Produktionen antreten, die in französischen Kinos laufen. Die diesjährige Netflix-Teilnahme dürfte daher das erste und letzte Mal sein.
Ganz beruhigen konnte die Entscheidung die Gemüter aber trotzdem nicht: Die Premiere von „Okja“ musste am Freitag nach nur fünf Minuten unterbrochen werden. Ob sich der Zuschauerprotest gegen den Film an sich oder technische Probleme durch ein falsch gewähltes Bildformat richtete, ließ sich zunächst nicht klären. Nach kurzer Unterbrechung und einem Neustart im richtigen Format brandeten nur noch beim Erscheinen des Netflix-Logos Buh-Rufe und Applaus auf.
„Skandälchen“ gut fürs Marketing
Auch wenn sich die Macher von „Okja“ sicher eine andere Reaktion erhofft hatten – nach dem ganzen Rummel um die Cannes-Premiere von Netflix dürfte das Interesse an den beiden Filmen nur noch größer sein, wie der plötzliche Anstieg der Suchanfragen nach „Okja“ bei Google Trends zeigt.
Ähnlich verhielt es sich bereits vor einigen Wochen, als Netflix mit einer makaberen Plakataktion für die Zombie-Serie „Santa Clarita Diet“ geworben hatte. Nachdem die Plakate in einigen deutschen Städten eine Welle an Beschwerden ausgelöst hatten, hängte Netflix sie widerstandlos ab – das Medienecho war der Serie trotzdem sicher.
Aktie wieder im Aufwind
Auch wenn die Netflix-Originals eigentlich für sich sprechen – solche Reaktionen sind Gold wert fürs Marketing, besonders bei so geringem Aufwand. Der Aktie hat das Theater um „Okja“ jedenfalls in keinster Weise geschadet, sie notiert im vorbörslichen US-Handel nach dem Rücksetzer zu Wochenmitte wieder moderat im Plus. Investierte Anleger können also getrost dabei bleiben.