Bayer-Aktionäre müssen sich weiter in Geduld üben. Die Aktie des Leverkusener Pharma- und Chemieunternehmens fällt von Tag zu Tag und hat ihre Talfahrt zuletzt sogar noch beschleunigt. Und das, nachdem sie den Gipfel bereits vor bald neun Jahren hinter sich gelassen hat. Neun Jahre, die nur kurzzeitig Entlastung kannten. Bald 20 Jahre, die besser morgen als heute aus dem Gedächtnis gelöscht wären.
Bayer-Aktien sind immer weniger wert. Dienstag zu Handelsende trennten noch 8 Cent das Papier von der 30-Euro-Schwelle. Nicht, dass sie eine besondere Bedeutung hätte. Und doch spielt sie in den Köpfen der vielen Aktionäre eine Rolle. Denn sie hat psychologische Wirkung, ist symbolisch. Fällt sie, ist mit einer weiteren Beschleunigung der ohnehin zügig verlaufenden Talfahrt zu rechnen. Eine Talfahrt, die mit der Gipfelbesteigung vor bald neun Jahren ihren Anfang nahm.
Der Niedergang hat einen Namen, oder ...
Aktionäre, Aktionärsschützer, Beobachter - in ihren Augen ist der Schuldige für die Misere schnell gefunden, hat der Niedergang des einst wertvollsten (!) deutschen Unternehmens einen Namen: Monsanto. Tatsächlich hat Bayer seit Bekanntgabe der Übernahme des US-Konzerns mehr Marktwert verloren als der zum damaligen Zeitpunkt größte Zukauf eines deutschen Unternehmens an Volumen auf die Waage brachte. 63 Milliarden US-Dollar ließ sich Bayer Monsanto kosten. Heute ist Bayer selbst "nur" noch etwa die Hälfte dessen wert, nämlich 31 Milliarden Euro.
Probleme in der Pharmasparte
Doch womöglich liegt die Ursache für den rapiden und dramatischen Wertverfall bei Bayer tiefer. Schließlich sind die Probleme in Zusammenhang mit Monsantos Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat seit Jahren bekannt. Bereits bis Ende 2022 waren 165.000 (!) Klagen in dieser Causa eingereicht. Zwischenzeitlich einigte sich Bayer mit vielen Klägern. Doch auch das zuletzt gegen Bayer entschiedene Urteil in rekordverdächtiger Höhe dürfte kaum mehr jemanden überraschen, zumal Bayer entsprechende Rückstellungen gebildet hat, um auch weitere Prozesse zu Ende zu führen - auch und insbesondere im Fall von negativen Entscheiden.
Doch Fakt ist auch: Die Klagen rauben Ressourcen und Kapital. Und könnten im schlimmsten Fall dazu führen, dass Bayer andere Bereiche vernachlässigt (hat). Etwa die Pharmasparte, die Bayer einst groß gemacht hat. Rückschläge hier wie vor dem Jahreswechsel bei Asundexian sorgen für erhebliche Enttäuschung. Ein Hoffnungsträger, der in einer Phase-III-Studie nicht die erhofften Ergebnisse liefert? Der Albtraum für alle Pharma-Investoren. Das Problem: Bayer könnte durch die Monsanto-Milliarden-Schadenersatzzahlungen und -Forderungen das Geld fehlen für strategisch sinnvolle Zukäufe im Pharmabereich.
Bayer hat kein Problem nachhaltig gelöst. Der im Unkrautvernichter Roundup verwendete Wirkstoff Glyphosat wirkt vernichtend auf die Aktie. Sorgen um die Zukunft der Pharmasparte aufgrund möglicher Rückschläge und nicht vorhandenen Kapitals für Zukäufe belasten zusätzlich. In Summe führt das zu einem düsteren Bild. Ein Fall unter die Schwelle von 30 Euro ist zu erwarten, entsprechende Verkäufe als Reaktion darauf sind zu erwarten. Das Papier ist heute nicht mehr wert als vor bald 20 Jahren. Zwei verlorene Jahrzehnte für deutsche Anleger. Und obwohl vermeintlich günstig, drängt sich ein Kauf nicht auf.
Hinweis auf Interessenkonflikte
Der Vorstandsvorsitzende und Mehrheitsinhaber der Herausgeberin Börsenmedien AG, Herr Bernd Förtsch, ist unmittelbar und mittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate eingegangen, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren können: Bayer.