Auf der Hauptversammlung des Pharma- und Agrarchemiekonzerns Ende April sprach Bill Anderson von wachsender Vorfreude, je mehr er "über die Innovationen und die Menschen bei Bayer lerne." Am 1. Juni nun folgt der US-Amerikaner auf Werner Baumann an der Konzernspitze - als Chef von mehr als 100.000 Mitarbeitern. Die Erwartungen der Aktionäre sind groß.
Während das Geschäft mit rezeptfreien Arzneien wieder in der Spur ist, schwächelte jüngst die bedeutend größere Pharmasparte mit Medikamenten wie dem Blutgerinnungshemmer Xarelto und dem Augenmittel Eylea. Zudem muss Bayer künftig Umsatzlücken stopfen, die nach und nach auslaufende Patente auf die beiden Kassenschlager aufreißen werden. Pharma-Chef Stefan Oelrich stärkte die Sparte in den vergangenen Jahren zwar kräftig mit neuen Medikamenten und Investitionen etwa in zukunftsträchtige Zell- und Gentherapien. Finanzielle Erfolge daraus sind aber nur längerfristig zu erwarten.
Glyphosat-Rechtsstreitigkeiten als Belastungsfaktor
Und dann ist da noch die Agrarsparte, die ein starkes Jahr 2022 hinter sich hat und der Branchenexperten dank neuer Produkte - etwa kurz wachsender und damit wetterfesterer Mais - viel zutrauen. Die aber auch schon mal stärker schwankt. Um das Agrargeschäft auszubauen, hatte Bayer unter Führung von Werner Baumann 2018 den US-Saatgut- und Agrarchemiekonzern Monsanto übernommen.
Mit dem mehr als 60 Milliarden US-Dollar teuren Monsanto-Kauf hatten sich die Leverkusener aber nicht nur erfolgreiche Produkte ins Haus geholt, sondern auch die US-Rechtsstreitigkeiten um angebliche Krebsrisiken glyphosathaltiger Unkrautvernichter sowie um Spätfolgen der seit Jahrzehnten verbotenen Chemikalie PCB. In Summe hat das viele Milliarden verschlungen, vor allem die Causa Glyphosat.
Anderson hat also einige Baustellen. Hinzu kommt der in den vergangenen Monaten gewachsene Druck seitens einiger Investoren, die nach einer Aufspaltung des Konzerns rufen. Der Grund: Nach dem Kursverfall der vergangenen Jahre vor allem wegen des Glyphosat-Themas sehen sie mehr Wert in den Einzelteilen nach einer Trennung als im Bayer-Konzern in der jetzigen Form.
Fest steht: Der neue Konzernlenker dürfte - nachdem er sich seit April einarbeiten konnte - mittlerweile ein klareres Bild von Bayer und von dem haben, was auf ihn zukommt. Und er verspricht nichts Geringeres als außerordentliche Ergebnisse, wenn man seinen Worten auf der Hauptversammlung glaubt.
Anderson hat das Potenzial, Bayer neu zu beleben. Allerdings wird etwas Zeit ins Land gehen, bis sich erste Erfolge abzeichnen und die Aktie wieder in die Erfolgsspur zurückkehren kann. Aus charttechnischer Sicht droht der DAX-Wert weiter abzurutschen. Wer investiert ist, beachtet den Stopp bei 48 Euro.
(Mit Material von dpa-AFX)
Hinweis auf Interessenkonflikte
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