Dem Chiphersteller AMD bieten sich zahlreiche Chancen, endlich wieder zur Konkurrenz aufzuschließen. Die Marktsituation bleibt extrem spannend.
Der Chiphersteller AMD setzte im ersten Quartal ein deutliches Zeichen und überzeugte nicht nur die Analysten. Die Umsätze wuchsen im Vergleich zum Vorjahresquartal um 40 Prozent auf 1,65 Milliarden Dollar. Mit einer derart hohen Wachstumsrate haben die Experten nicht gerechnet. Die Gewinne je Aktie legten deutlich zu auf 0,11 Dollar – die Analysten erwarteten nur 0,09 Dollar. Die AMD-Aktie reagierte prompt auf die überraschend starken Zahlen und stieg in der vergangenen Woche um 14 Prozent. Ein klassisches „Beat and Raise“-Quartal, für das sich zwei Ursachen klar herauskristallisieren lassen: der Hype um Kryptowährungen und das brandneue Produktportfolio.
Der Hype um Bitcoin, Ethereum und Co sorgt seit Mitte vergangenen Jahres dafür, dass auch die Preise für Grafikkarten um bis zu 50 Prozent nach oben schnellen. Der Zusammenhang zwischen Kryptowährungen und Grafikkarten ist dabei das sogenannte Krypto-Mining. Denn die virtuellen Währungen können nicht gedruckt oder geschürft werden, wie es bei Banknoten oder Gold der Fall ist. Neue Einheiten der Kryptowährung werden von sogenannten „Minern“ (von engl. to mine = schürfen) berechnet. Miner lösen kryptografische Hashfunktionen. Haben sie die Lösung gefunden, werden sie mit einer Einheit Kryptowährung bezahlt. Für einige dieser Berechnungen eignen sich Grafikkarten hervorragend. Der Markt, der sich ursprünglich an Videospieler richtete, wurde damit von einer neuen Nachfrage geflutet, auf welche die beiden Grafikkarten-Hersteller AMD und Nvidia nicht vorbereitet waren.
Während sich die Unternehmen im vierten Quartal 2016 noch verhalten zu dem neuen Phänomen äußerten, erklärte AMD-Chefin Lisa Su in der Analystenkonferenz zum ersten Quartal 2017, dass sich zehn Prozent der Gesamterlöse auf Kryptowährungen zurückführen ließen. Um der zusätzlichen Nachfrage Herr zu werden, hat AMD entsprechend das Produktionsvolumen erhöht. Es scheint, der Chiphersteller hat sich schnell mit der neuen Situation zurechtgefunden. Doch die Krypto-Nachfrage hat nicht nur Vorteile – der Markt bleibt unberechenbar und volatil. So sanken die Preise für Bitcoin, Ethereum und Co im neuen Jahr deutlich. Sie fielen gar so schnell, dass eine Investition in eine Grafikkarte für das Krypto-Mining schlichtweg unprofitabel wurde.
Seit April erholen sich die Krypto-Preise zwar wieder, doch es ist ein neues Problem aufgetaucht: Bitmain, ein chinesischer Hersteller von Mining-Hardware, hat einen Spezialchip angekündigt, der kosteneffizienter rechnet als die Grafikkarten. Sollten die großen kommerziellen Krypto-Miner tatsächlich auf die neuen Chips umsteigen, bleibt die Frage, wie stark dies die neu gewonnene Nachfrage nach Grafikkarten beeinflusst. Einige bearishe Analysten rechnen mit einer regelrechten Angebotsschwemme durch gebrauchte Hardware.
Dieser Einschätzung muss jedoch widersprochen werden, da Gamer in der Regel wenig gebrauchte Hardware kaufen – insbesondere nicht, wenn diese zuvor in Mining-Operationen eingesetzt wurden. Denn Miner erhöhen in der Regel die Taktraten der Chips, was zum Verlust der Garantie führt, und lassen die Hardware unter voller Auslastung 24 Stunden jeden Tag arbeiten. Gift für die Hardware – die Lebensdauer der Grafikkarten wird dadurch drastisch reduziert. Daneben wird bei dieser bearishen Einschätzung außer Acht gelassen, dass zahlreiche Gamer in den vergangenen Monaten wegen der höheren Preise auf den Kauf einer neuen Grafikkarte verzichteten. Diese aufgeschobene Nachfrage sollte dafür sorgen, dass die Preise moderat auf ein gesundes Niveau zurückfallen.
Das Nachlassen der Mining-Nachfrage hat AMD bereits berücksichtigt und in die Prognose für das laufende Geschäftsjahr eingeplant. Laut der Unternehmensführung soll die Veröffentlichung neuer Produkte die schwächere GPU-Nachfrage ausgleichen können.
AMD schließt die Performance-Lücke
Eines dieser neuen Produkte veröffentlichte AMD Mitte April: die zweite Generation der Ryzen-Prozessoren. Während bei der ersten Generation unterschiedliche Startschwierigkeiten an dem neuen Kräftegleichgewicht zwischen Intel und AMD zweifeln ließen, wird nach ersten Performance-Tests offensichtlich: Die neuen Ryzen-Modelle der zweiten Generation können in Sachen Leistung mit aktuellen Intel-Chips mithalten und sind dabei sogar günstiger als die Konkurrenz. Ein entscheidendes Detail, das auch die PC-Hersteller aufhorchen ließ. Für das zweite Quartal werden 25 neue Computer auf Ryzen-Basis erwartet. Ein unglaublicher Erfolg für AMD, deren Prozessoren lange nur in einer Budget-Variante oder überhaupt nicht verbaut wurden.
Doch der Konzern setzt nicht nur auf Prozessoren für PCs – auch in Servern sollen wieder AMD-Chips verbaut werden. Hier setzt die Unternehmensführung auf den im Juni erschienenen EPYC-Chip. Im ersten Quartal verdoppelten sich die Verkaufszahlen im Vergleich zum Vorjahr. Ein erster Erfolg, auch wenn dieses Wachstum auf einer sehr geringen Basis erfolgt sein dürfte.
Die Frage bleibt, welches Marktpotenzial Grafikkarten und Prozessoren in den nächsten Jahren haben. Annähernd unmöglich erscheint dabei eine Prognose des Grafikkartenmarktes. Sicherlich dürfte die wachsende Bedeutung von Videospielen auch die Nachfrage nach Grafikkarten weiter ankurbeln – doch der Krypto-Markt als zweite treibende Kraft bleibt unvorhersehbar. Der Einsatz von Grafikprozessoren für KI-Anwendungen bietet zwar ein weiteres Anwendungsfeld, ist jedoch einige Jahre davon entfernt, substanziell zur Umsatzentwicklung beizutragen. Mit Nvidia steht AMD zudem einer erfolgreicheren Marke in Sachen Performance und Bekanntheit gegenüber. Den Verlust der Marktanteile konnte AMD zwar mit den starken R400-, R500- und Vega-Produkten umkehren. Dass AMD jedoch Marktanteile über 40 Prozent erreicht, dürfte mit dem aktuellen Produktportfolio jedoch unmöglich sein. Es bleibt dennoch spannend, was der Konzern mit der 7nm-Fertigung der Vega-Architektur erreichen kann.
Deutlicher zeigt sich das Potenzial bei PC-Prozessoren. Die Zeiten, in denen der große Konkurrent Intel durch technologische Überlegenheit überzeugen konnte, sind vorbei. AMD hat wieder aufgeholt – Intel scheint, voll fokussiert auf Data-Center, den Blick in den Rückspiegel vergessen zu haben. DER AKTIONÄR geht davon aus, dass sich dieses neue Gleichgewicht bereits 2018 deutlich auf die Marktanteile auswirken dürfte.
Der Server-Markt rund um Data-Center bietet aufgrund seiner zweistelligen Wachstumsrate über die nächsten fünf Jahre ebenfalls neue Chancen für AMD. Schafft der Konzern durch Deals wie mit DELL EMC, der als erster großer Hersteller AMD-Chips in Servern verbaut, den Schritt aus der Nische heraus, offenbart sich hier ein langfristiges Bombengeschäft.
Grafik-, Server- und PC-Markt bieten zahlreiche Chancen für AMD. Die Performance der Aktie zeigt, dass das Gros der Anleger noch nicht an ein Comeback des Chipherstellers glaubt. DER AKTIONÄR sieht das operativ starke erste Quartal jedoch als wichtigen Wendepunkt. Kann AMD die positive Entwicklung in den nächsten Quartalen bestätigen, dürfte die Aktie ein Kurspotenzial von rund 40 Prozent aufweisen. Zu beachten gilt, dass eine derartige Chance nicht ohne das entsprechende Risiko wahrzunehmen ist – wie die Unvorhersehbarkeit des Krypto-Marktes klar zeigt.