Mit Rekordwerten bei Umsatz und Ergebnis hat die AKTIONÄR-Altempfehlung Mensch und Maschine Software SE (MuM) das erste Quartal abgeschlossen. Und trotz Corona hält MuM-CEO Adi Drotleff an den Jahreszielen fest: „Unsere Ziele für 2020 waren eher defensiv angesetzt und wären unter normalen Umständen wohl jetzt angehoben worden“, so der Gründer, Großaktionär und Konzernlenker im Hintergrundgespräch mit dem AKTIONÄR.
Herr Drotleff, MuM blickt auf ein Rekordquartal zurück – trotz Corona. Woher kommt die hohe Dynamik, insbesondere im Systemhausgeschäft?
Adi Drotleff: Wir hatten ja in den Jahren 2016/17 einen temporären Bremseffekt durch die Umstellung unseres Hauptlieferanten Autodesk von Verkauf auf Vermietung, den wir damals mit mehr eigener Software und Dienstleistung sowie mit Kostendisziplin ganz gut abpuffern konnten. Und was wir seit 2018 sehen, ist die – erwartete – positive Gegenreaktion, die sich grob gesagt daraus speist, dass die Software für rund 40 Prozent des vorherigen Listenpreises pro Jahr vermietet wird, während die vorher üblichen Wartungsverträge nur etwa 15 Prozent des Listenpreises ausmachten. In der Übergangszeit standen dadurch bei einem Neuverkauf nur 40 Prozent Mietumsatz gegen 100+15 Prozent Verkaufs- und Wartungsumsatz im Vorjahr, aber in allen Folgejahren sind es 40 Prozent Mietumsatz zu vorher 15 Prozent Wartungsumsatz. Hinzu kommt ein noch bis Mitte Mai laufendes, attraktives Angebot zum Umstieg von Wartung auf Miete, sowie Anreize für den Abschluss von 3-Jahres-Miete, die von etwa 20 Prozent der Kunden genutzt werden. Zusammen mit einem ordentlich weiterlaufenden Eigengeschäft ergab sich die Dynamik, die wir 2019 und im Q1/2020 gesehen haben.
Wie erklärt sich der Effekt, dass der Rohertrag mit 13 Prozent nur halb so stark wie der Umsatz zugelegt hat, das operative Ergebnis (EBIT) mit +36 Prozent aber weit stärker?
Dass der Rohertrag nicht so stark wächst wie der Umsatz, ist bei einem höheren Handelsanteil normal, ebenso wie es bei höherer Dynamik im Eigengeschäft umgekehrt ist. Und der überproportionale EBIT-Zuwachs kommt daher, dass die Kosten weniger steigen als der Rohertrag. 2017 hatten wir sogar den Extremfall, dass der Konzernumsatz um -3,7 Prozent gesunken ist, während der Rohertrag um (zufällig gleiche) +3,7 Prozent stieg und das EBIT sogar um satte +22 Prozent. Im Q1/2020 lag der Kostenanstieg zwischen 5,0 und 6,0 Prozent, also weit unter den +13 Prozent beim Rohertrag, daher das stolze Plus von +6,0 Prozent beim Betriebsergebnis EBIT.
Ins Auge sticht auch der im ersten Quartal 2020 auf 13,6 Millionen Euro mehr als verdoppelte Cashflow. Was steckt hinter diesem starken Anstieg?
Der Cashflow ist eine sehr schwierig vorhersagbare Größe, deshalb gibt es hier von uns und von den meisten anderen Firmen keine Prognosen. Einen starken Einfluss hat zum Beispiel die Frage, ob das Geschäft am Anfang des Quartals stärker ist oder am Ende. Im ersteren Fall sind die meisten Rechnungen bis Quartalsende bezahlt – das hatten wir beispielsweise jetzt im Q1, wo sehr viele Jahres-Wartungs- und -Mietrechnungen Anfang Januar gestellt wurden. Schwierig ist dagegen das Schlussquartal, weil hier das Rechnungsaufkommen traditionell im Dezember am stärksten ist.
Beim Blick auf Ihre Rekordzahlen, stellt sich die Frage: „Wo ist Corona?“ Welche Corona-Effekte haben Sie denn im ersten Quartal bereits gespürt und mit welchen Auswirkungen rechnen Sie im zweiten Quartal?
Wir haben im Q1 gewisse Bremseffekte im CAM-Geschäft sowie im März durch die nicht mehr möglichen Schulungen gehabt, zusammen aber nur ein bis zwei Millionen Euro beim Umsatz, das sind 1,3 bis 2,6 Prozent von den erzielten 78,6 Millionen Euro Umsatz. Da es sich um Eigengeschäft handelt, war der Einfluss auf das EBIT mit 0,8 bis 1,5 Millionen Euro relativ hoch – hier hätten es statt dem erreichten EBIT-Anstieg um 36 Prozent ohne Corona also auch +50 Prozent werden können.
Ist der Eindruck zutreffend, dass MuM dank seiner Rolle als Digitalisierungstreiber unterdurchschnittlich von der Corona-Krise betroffen ist?
Das ist ganz sicher so. Wenn man später Corona als Game-Changer im positiven Sinne sehen wird, dann in Bezug auf die Akzeptanz von Digitalisierung und den Nutzen von sogenannten Cloud-Angeboten, denn das hält ja gerade große Teile des öffentlichen Lebens und der Wirtschaft am Laufen. Wir sehen das zum Beispiel an den Teilnehmerzahlen bei Online-Informationsangeboten, die um den Faktor zwei bis drei nach oben geschnellt sind. Da passt natürlich unsere bereits zum elften Mal stattfindende cadmesse.de im Mai sehr gut, bei der sich Kunden und Interessenten drei Tage lang in 30- bis 60-minütigen Online-Sessions über unser gesamtes Lösungsspektrum informieren können. 2019 hatten wir insgesamt über 9.000 Teilnahmen, diesen Rekord werden wir wohl pulverisieren.
In welchem Umfang können Sie durch ein größeres Angebot an Online-Seminaren den Rückgang bei den Präsenz-Seminaren auffangen?
Nach vielen Tests in den letzten Jahren war unser Seminarbereich schon sehr gut auf das Thema Online-Training vorbereitet. Es hatte nur immer die Kundennachfrage gefehlt, die jetzt plötzlich da ist. Unser nach nur einem Monat Vorbereitungszeit gestartetes Online-Programm ist schon jetzt voll ausgebucht, so dass wir davon ausgehen, dass wir den Rückgang hier weitgehend auffangen können. Man wird dann in den nächsten Monaten sehen, wie sich das Buchungsverhalten der Teilnehmer einpendelt, wenn wieder Präsenztermine möglich sind. Beide Schulungsarten, also Präsenz und Online, haben ja ihre spezifischen Vor- und Nachteile. Wir können dem jedenfalls sehr gelassen entgegensehen und halten sogar hybride Schulungen für denkbar, also Präsenz- und Online-Teilnehmer gemischt.
Trotz Corona-Krise haben Sie Ihre Prognose eines zweistelligen Umsatz- und Gewinnwachstums im Gesamtjahr 2020 bekräftigt. Woher nehmen Sie Ihren Optimismus für die zweite Jahreshälfte?
Unsere Ziele für 2020 waren relativ zum organischen Wachstum des Jahres 2019 eher defensiv angesetzt und wären unter normalen Umständen wohl jetzt angehoben worden. Deshalb sprechen wir auch von einem „komfortablen Polster“, wenn wir beim Nettoergebnis nach einem Q1 mit +34 Prozent an einem Jahresziel von +18 bis 24 Prozent festhalten. Das ist eigentlich kein Optimismus, sondern impliziert ja gewisse weitere Bremseffekte, die wir vor allem im Q2 erwarten.
Wie schnell könnten Sie mit aktivem Kostenmanagement entgegensteuern, falls sich das operative Geschäft im zweiten Halbjahr doch schwächer als erwartet entwickeln sollte?
Der Bremsweg bei aktiven Kostenmaßnahmen liegt im Allgemeinen bei etwa einem Quartal, insofern kann man da auf jeden Fall noch etwas bewegen. Aber jetzt schauen wir erst einmal, wie sich die ganze Situation im Q2 entwickelt. Bisher haben wir rund sechs Wochen Erfahrung, in drei Monaten werden wir also um den Faktor drei mehr wissen als jetzt. Da entscheidet es sich leichter.
Mittelfristig wollen Sie die EBITDA-Rendite von 14,9 Prozent in 2019 auf über 18 Prozent ausbauen. Wo sehen Sie die größten noch ungenutzten Ertragspotenziale?
Wir haben 2019 im Software-Segment eine EBITDA-Rendite von 29,7 Prozent erwirtschaftet, im Systemhaus-Segment waren es 8,4 Prozent. Im Systemhaus bleibt also noch relativ viel Luft bis zu der dortigen Zielrendite von 12 Prozent und es sind größere Schritte möglich. Im Segment Software geht sicher auch noch etwas, aber eher in etwas kleineren Schritten, denn es soll ja nachhaltig sein.
In welcher Größenordnung hat MuM den Kursrückgang der letzten Wochen für den Rückkauf eigener Aktien genutzt?
Wir konnten 80.592 Aktien zu einem Durchschnittskurs von 33,22 Euro zurückkaufen und halten nun 427.256 eigene Aktien, also 2,49 Prozent des gezeichneten Kapitals nach vorher 2,02 Prozent. Dabei haben wir ziemlich gut den unteren Teil des scharfen Rücksetzers ausgenutzt.
Werden Sie auch in diesem Jahr einen Großteil Ihrer Dividendenrechte in MuM-Aktien tauschen?
Definitiv, mit einer Anfangs-Dividendenrendite von derzeit um die zwei Prozent und den geplanten Dividendensteigerungen ist die MuM-Aktie für mich ein sehr attraktives Investment.
Die MuM-Aktie fiel im Rahmen des Corona-Crash zwar von 55,80 auf 29,50 Euro zurück, konnte sich im Anschluss allerdings bereits wieder deutlich von den Tiefstständen lösen. Dank der starken Zahlen und unverändert guten Aussichten dürften die Papiere ihre Aufwärtsbewegung weiter fortsetzen. Die AKTIONÄR-Altempfehlung bleibt im heimischen Nebenwertebereich weiter ein Basisinvestment für Anleger mit Weitblick.