Ein spannendes Börsenjahr geht zu Ende. Trotz einiger Krisenherde stieg der deutsche Leitindex DAX zum ersten Mal in seiner Geschichte über die 10.000-Punkte-Marke. Alle Jahre wieder wird zum Jahreswechsel gerätselt: Was bringt das neue Jahr? Wo steht der heimische Leitindex Ende 2015?
DER AKTIONÄR fragte nach bei Tobias Basse, Aktienstratege bei der Nord/LB.
DER AKTIONÄR: Herr Basse, worauf müssen sich die Anleger im kommenden Jahr einstellen?
Tobias Basse: Die Notenbanker in Frankfurt und Peking haben an den internationalen Aktienmärkten eine verfrühte Jahresendrallye ausgelöst. Die chinesische Zentralbank hatte eine unerwartete Leitzinssenkung verkündet; zudem hoffen die Marktteilnehmer auf weitere expansive geldpolitische Maßnahmen der EZB. Die global üppige Liquiditätsversorgung drückt auf das Zinsniveau und hilft den Aktienmärkten. Fehlende Anlagealternativen zwingen inzwischen sogar nur mäßig renditehungrige Investoren dazu, Käufe von Dividendenpapieren zumindest zu erwägen. Dieses Umfeld sollte auch in 2015 stützend auf die Kurse wirken. Allerdings sind die Aktienmärkte inzwischen sicherlich nicht mehr günstig bewertet.
Können Sie das mit Zahlen belegen?
Auf Basis der Konsensgewinnschätzung für das Jahr 2015 liegt das KGV des US-Leitindexes S&P 500 beispielsweise bereits in Sichtweite von 16. Im historischen Vergleich werden damit zwar noch keine Tendenzen zu einer nachhaltigen Überbewertung angezeigt, Dividendenpapiere sind derzeit aber auch nicht zu Schnäppchenpreisen im Winterschlussverkauf zu erhalten. Daher erhöht sich die Gefahr von Kursrückgängen aufgrund von Gewinnmitnahmen. Zudem scheinen die Börsen mögliche Belastungen durch die sicherlich vorhandenen erhöhten geopolitischen Risiken weitgehend auszublenden. Für das aktuell hohe Kursniveau spricht allerdings die Hoffnung auf eine anhaltende Erholung der US-Wirtschaft.
Daher muss man auch eine in 2015 anstehende erste Leitzinsanhebung der Fed nicht unbedingt fürchten, oder?
Nein. Die US-Notenbanker werden ihre geldpolitische Ausrichtung nur sehr vorsichtig an das deutlich verbesserte ökonomische Umfeld in Nordamerika anpassen, welches über eine positive Wirkung auf die Unternehmensgewinne den globalen Aktienmarkt stützt. Insofern überrascht es vielleicht auch nicht, dass unsere empirischen Untersuchungen keinen klaren Beleg für statistisch signifikante Belastungen des Aktienmarktes durch steigende US-Leitzinsen liefern konnten.
Wie lautet Ihr DAX-Kursziel bis Ende 2015?
In diesem Umfeld sehen wir den DAX in zwölf Monaten im Bereich von 10.500 Punkten. Kurzfristig - also in den kommenden 3 Monaten - besteht allerdings ein gewisses Rückschlagpotential in Richtung von 9.650 Zählern. Die geopolitische Lage muss in diesem Kontext genau im Auge behalten werden.
Wie lauten Ihre Aktien- und Branchen-Favoriten für 2015?
Mit Blick auf einzelne Branchen halten wir vor allem den europäischen Bankensektor für attraktiv. Der Stresstest hat unserer Auffassung nach für eine größere Transparenz und eine Stärkung der Bankbilanzen gesorgt. Eine erhöhte Vorsicht mag allerdings bei den griechischen Instituten angebracht sein. Hier belasten die neuen politischen Turbulenzen in Athen. Einige Marktteilnehmer scheinen im Kauf griechischer Bankaktien jedoch eine durchaus attraktive Wette auf die weitere Erholung des Landes zu sehen, welche insbesondere ein attraktiveres Chance-Risiko-Profil aufweist, als zum Beispiel ein Investment in den GDP-Linker. Diese Auffassung lässt sich sicherlich gut begründen, es handelt sich allerdings schon um ein riskantes Investment; hellenische Banken sind wie griechische Staatsanleihen auf Speed.
Vielen Dank für das Gespräch!
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