Heimische Mode-Aktien befinden sich auf Talfahrt. Die Vorstände versuchen das Ruder herumzureißen. Auch bei Hugo Boss hat die Führungsriege die Zeichen der Zeit erkannt. Sie arbeiten an ausgefeilten Konzepten, um dem Kunden im jeweiligen Laden wieder etwas zu bieten und ihn vor allem zu binden.
Sonderangebote gehören zum Alltag im Textilhandel, nicht nur während des Winter- oder Sommerschlussverkaufs. Der Schlussverkauf oder neudeutsch Final Sale wird immer häufiger ergänzt durch einen Pre-, Mid- und End-Season-Sale – durch Rabatte zum Beginn, in der Mitte und zum Ende der Saison. Um nicht komplett den Anschluss zu verlieren, beteiligen sich fast alle heimischen Mode-Einzelhändler an den Rabattschlachten. Dennoch schrumpft die Zahl der Käufer in den Läden. Neben dem Siegeszug der Textildiscounter fischt auch der Onlinehandel mit seiner hohen Preistransparenz viele Kunden schon vor dem Betreten der Filialen.
Kurzum: Das Geschäft mit der Mode steckt in der Krise. Die Umsätze schrumpfen, die Gewinne brechen ein und die Mode-Aktien befinden sich auf Talfahrt. Christoph Schlienkamp vom Bankhaus Lampe hat die Branche an der Börse schon lange im Blick. Er glaubt nicht, dass Mode made in Germany generell nicht mehr nachgefragt ist.
„Die Nachfrage ist da. Die Unternehmen müssen aber aus ihrem Teufelskreis ausbrechen und die Frequenz in den Läden erhöhen mit einem attraktivem Preis-Leistungsverhältnis und junger, frischer Ware“, so der Analyst gegenüber dem AKTIONÄR. Hintergrund: Die niedrige Frequenz der Kunden in den Läden führt zu schlechten Verkaufszahlen. Die Unternehmen bleiben auf ihrer Ware sitzen. Diese muss in der Folge mitunter stark rabattiert werden. Das wiederum führt zu schlechten Zahlen, weil die notwendigen Deckungsbeiträge fehlen.
Auf die Frage, ob die heimischen Firmen den eigenen Onlinehandel vernachlässigt haben, entgegnet der Experte: „Es ist ein wichtiger Aspekt. Aktuell zeigt sich aber, dass der Onlinehandel die fehlenden Offlineumsätze, also die Verkäufe in den jeweiligen Läden, noch nicht kompensieren kann.“ Was fehlt, sind die richtigen Konzepte und Strategien.
Die Probleme mit der zu exzessiven Expansion bekommt auch Hugo Boss zu spüren. Vorstandschef Claus-Dietrich Lahrs hatte vor wenigen Wochen seinen Hut genommen, kurz nachdem er eine Gewinnwarnung für das laufende Jahr aussprechen musste. In seiner Amtszeit baute er das Filialnetz massiv aus. So verdoppelte er die Zahl der eigenen Läden seit 2010 weltweit auf rund 1.100. Dem damaligen Großaktionär Permira gefiel diese Strategie. Mit den Umsätzen stiegen die Prognosen – und die Kurse. Vor einem Jahr stieß der Finanzinvestor sein letztes Aktienpaket ab. Auch Lahrs verkaufte seine Stücke. Im Anschluss drehte der Wind – und der Aktienkurs. Die nachlassende Nachfrage der chinesischen Verbraucher und die Rabattschlachten in den USA setzen dem Konzern stark zu.
Bis ein Nachfolger für Lahrs gefunden ist, führen Finanzchef Mark Langer, Markenvorstand Christoph Auhagen und der für das neugeschaffene Vertriebsressort zuständig Bernd Hake den Konzern. In der vergangenen Woche präsentierte das Trio einen Ausblick. Weniger neue Läden und geringere Investitionen lautet die neue Marschrichtung. Die Investitionen sollen von 220 Millionen Euro im Jahr 2015 auf unter 200 Millionen Euro sinken. Dem Vernehmen nach werden Einsparungen über den Cashflow in Höhe von 100 Millionen angestrebt.
In den USA will Hugo Boss seine Kernmarke Boss nur noch auf in Eigenregie bewirtschafteten Flächen, sogenannten Shop-in-Shops, präsentieren. Das umfangreiche Maßnahmenpaket dürfte das operative Ergebnis 2016 um mindestens zehn Prozent drücken, ab 2017 aber wieder für nachhaltig steigende Margen sorgen. Um die Investoren bis dahin bei der Stange zu halten, wird an der Dividende nicht gerüttelt. Wie Vorjahr sollen 3,62 Euro je Aktie ausgeschüttet werden – fast 80 Prozent des Gewinns. Dank der soliden Dividende können Anleger bei der zuletzt arg gebeutelten Aktie weiter einen ersten Fuß in die Tür stellen.