FRANKFURT (dpa-AFX) - Uhren, T-Shirts, Sneaker, Handtaschen oder auch Bremsenentlüftungsgeräte oder Motorsägen: Es gibt kaum ein Original-Markenprodukt, das nicht irgendwo auf der Welt nachgemacht und gefälscht wird. Der private Verein "Aktion Plagiarius" hat sich den Kampf gegen Produktpiraten zur Aufgabe gemacht und am Freitag erneut dreiste Fälschungen angeprangert.
Mit der zum 45. Male wiederholten Aktion will der Verein Konsumenten dazu bringen, sich bewusst für die Originale zu entscheiden und so den Fälschern die Geschäftsgrundlage zu entziehen.
Nachgemacht werden nicht nur hochwertige Konsumgüter. Erhebliche Risiken für die Verbraucher ergeben sich unter anderem aus gefälschten Medizingeräten, Auto-Ersatzteilen oder Medikamenten. Die Corona-Krise hat den Fälschern weitere Tatgelegenheiten eröffnet. So hat die Polizeiorganisation Interpol vor im Internet angebotenen Impfstoffen gewarnt, da keiner der zugelassenen Impfstoffe online offiziell zum Verkauf angeboten wird. Bereits im April 2020 sah sich das US-Unternehmen 3M
Der Schmähpreis Plagiarius, ein schwarzer Zwerg mit goldener Nase, wird üblicherweise auf der Frankfurter Konsumgütermesse "Ambiente" vergeben, die in diesem Jahr pandemiebedingt abgesagt worden ist. Hier wurden - wie auf anderen Messen auch - in der Vergangenheit regelmäßig gefälschte Produkte vom Zoll beschlagnahmt. "Messen sind für Plagiatsjäger wie uns toll", sagt die Anwältin und Vereins-Vize Aliki Busse. In Corona-Zeiten habe sich aber auch dieses Geschäft noch stärker ins Netz verlagert, was eigentlich nicht in den Griff zu bekommen sei.
Als krasseste Nachahmung des Jahres wurde die Motorsäge eines chinesischen Herstellers gebrandmarkt, die dem Produkt "MS 250" der Andreas Stihl AG aus Waiblingen auf den ersten Blick täuschend ähnlich sieht. Zwar ist der Markenname "Sthil" auf dem Kettenblatt falsch geschrieben, aber sonst ähnelt die Kopie dem Original schon sehr. Die Schwaben gehen weltweit gegen Produktpiraten vor und haben nach eigenen Angaben gegen den diesmal ausgewählten Nachahmer bereits acht Gerichtsverfahren gewonnen und rund 170 000 Euro Schadenersatz erstritten.
Der Markenname Stihl ist in 170 Ländern geschützt, die orange-graue Farbgebung in mehr als 100 Staaten. "Wir verfolgen eine umfassende Strategie und haben damit bereits Millionen eingetrieben", berichtet Schutzrechtsmanager Günther Stoll. Als Ergebnis gebe es zumindest in Ländern mit verlässlichen Rechtssystemen so gut wie keine Stihl-Fälschungen mehr. Das seien Europa und die USA, aber auch in China haben die Schwaben schon Schadenersatz eingetrieben und Haftstrafen gegen die Täter erwirkt. "Wir werden weiterhin auch in schwierigen Ländern gegen Fälscher vorgehen", kündigt Stoll an.
"Wir sprechen kein Recht, aber wir machen auf Unrecht aufmerksam", sagt Aliki Busse, deren Vater und Plagiarius-Begründer Rido Busse in diesem Februar verstorben ist. Spöttisch verleiht sie die "Auszeichnungen" an die Nachahmer für "kreativbefreite Leistungen auf dem Gebiet der Nachempfindung". Mit ihrem anrüchigen Geschäftsmodell halten manche Fälscher gar nicht mehr hinter dem Berg, etwa der britische Online-Möbelhändler, der Design-Ikonen der kroatischen Firma Prostoria abkupfert und anpreist: "Unsere Produkte werden nach den gleichen Standards wie die Originale hergestellt, aber wir verkaufen sie mit bis zu 90 Prozent Rabatt. Wir fertigen hochwertige Reproduktionen an. Tolles Design für alle verfügbar."
Über den angerichteten Schaden sind viele Schätzungen im Umlauf. Rund 100 Millionen gefälschte Produkte werden jährlich in der EU von Zollbehörden und Polizei entdeckt, den weltweiten Schaden schätzt die OECD auf 250 Millionen US-Dollar jährlich. Der deutsche Maschinenbauverband VDMA schätzt den jährlichen Schaden allein für die eigene Branche im Jahr 2019 auf 7,6 Milliarden Euro, was rund 35 000 Arbeitsplätzen in Deutschland entspreche. Kaum eine größere Firma sieht sich nicht betroffen, von allen Unternehmen berichten 74 Prozent, dass sie Opfer von Produktpiraten geworden sind.
Die meisten Maschinenplagiate werden laut VDMA immer noch in China vertrieben. Es folgen Deutschland und Russland. In drei von vier Fällen gilt der Wettbewerber als Verursacher der Plagiate. Doch auch bei Geschäftspartnern wie Kunden, Zulieferern, Joint-Venture-Partnern oder Ersatzteilverkäufern geben 42 Prozent der befragten Firmen an, dass sich unter mindestens einem von diesen einen Plagiator befindet./ceb/DP/jha
Quelle: dpa-AFX