Bayer enttäuscht einmal mehr. Nach einem starken Mittwoch befindet sich die Notierung des Leverkusener Konzerns am Donnerstag bereits wieder im Rückwärtsgang. Der Grund dafür mag mit der Verschiebung einer wichtigen Anhörung in Zusammenhang mit den Klagen um Glyphosat akut erscheinen. Tatsächlich aber liegt die Sache anders. Ein Kommentar.
Fast 100.000 Menschen formen Bayer. Sie machen den Konzern weltweit bekannt, sorgen für Innovationen und helfen mit ihrer Arbeit, das Leben vieler Menschen besser zu machen, mit Marken wie Aspirin, Iberogast oder Rennie. Vom Zipperlein bis zum ernst zu nehmenden Gesundheitsproblem – Bayer hat auf viele Fragen eine Antwort. Seine Wurzeln schlug die DAX-Firma im Jahr 1881 im heutigen Wuppertaler Stadtbezirk Heckinghausen, hat Weltkriege und die Spaltung Deutschlands überstanden. Allein hier, im Mutterland, beschäftigt Bayer, dessen globale Zentrale in Leverkusen angesiedelt ist, 23.398 Frauen und Männer.
So weit, so wunderbar. Doch ein Ereignis der jüngeren Vergangenheit überschattet die Leistung dieser vielen, weil einer von ihnen sein Versprechen im Zusammenhang mit diesem Ereignis bisher nicht oder nur unzureichend eingehalten hat: Werner Baumann. Er lenkt die Geschicke des Unternehmens seit dem 1. Mai 2016. Einfaches Mitglied des Vorstands ist er jedoch schon länger, nämlich seit 2010. Verbunden mit dem Konzern ist er allerdings von Kindesbeinen an. Unmittelbar nach seinem Studium der Wirtschaftswissenschaften in Aachen und Köln trat er 1988 in die Bayer AG ein.
Wenige Tage, nachdem Baumann im Mai 2016 den Zenit der Macht erreicht hatte, legte Bayer ein offizielles Angebot für die Übernahme des US-amerikanischen Wettbewerbers Monsanto vor. Der Deal sollte Bayer 60 Milliarden Euro kosten. Zunächst. Der Schaden indes, den der Take-over verursacht hat, ist weitaus größer. Ausdruck dieser einzigartigen Misere ist der implodierte Börsenwert: Mit 53,5 Milliarden Euro ist Bayer heute mit Monsanto weniger wert als vor der Übernahme, also ohne Monsanto. Diese Kapitalvernichtung muss sich Werner Baumann anlasten lassen. Zumal der Rechtsstreit um das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat nach wie vor nicht beigelegt ist und weiterhin wie ein Damoklesschwert über den Köpfen ebenjener schwebt, die Bayer groß gemacht haben – also die annähernd 100.000 Menschen, die für den Konzern tagein, tagaus arbeiten.
In einem Interview mit dem Handelsblatt versprach Werner Baumann jetzt erneut Besserung. Auf die Frage, ob die Serie negativer Nachrichten nun vorbei sei, entgegnete er: „Natürlich gab es einige Enttäuschungen, aber wir haben auch viel erreicht.“ Für wen? An der Börse wurden die jüngsten Entwicklungen und Äußerungen einigermaßen wohlwollend aufgefasst. Die Aktie schlug eine – für sie inzwischen ungewohnte – Richtung ein: nach oben.
Bayer, seine 100.000 Angestellten, die Aktionärinnen und Aktionäre haben eine echte Trendwende verdient: beim Image, beim Aktienkurs, bei der Ausrichtung. Baumann steht für die Übernahme von Monsanto. Er unterlag 2016 beim Erwerb einer Fehleinschätzung: Das Geschäft der Amerikaner entfaltet seither eine toxische Wirkung. Es wird Zeit, dass die Causa Glyphosat beendet wird. Dass sich Bayer rückbesinnt auf seine Werte und Traditionen, um endlich wieder gestärkt in die Zukunft zu blicken. Der Neuanfang ist überfällig. Leere Versprechen zählen nicht dazu. Bayer war immer stark. Jetzt muss der Konzern es erst wieder werden.