Inmitten des neu ausgebrochenen Führungsstreits bei VW haben Betriebsrat, Management und Kontrolleure die Beschäftigten über den weiteren Umgang mit Produktionsausfällen und Kostendruck ins Bild gesetzt.
Angespannt ist die Situation bei Volkswagen aber auch aufgrund der neuen Querelen zwischen Vorstandschef Herbert Diess und den Aufsichtsräten.
Kurz vor der Informationsveranstaltung hatten am Mittwoch neue Spekulationen die Runde gemacht, wonach VW-Vorstand Herbert Diess mit dem Betriebsrat und mit dem Land Niedersachsen aneinandergeraten sein soll. Dass Diess womöglich in Ungnade gefallen sei, wollte in Konzernkreisen niemand offen sagen. Aber die Stimmung, so hieß es bei mehreren Personen im Umfeld der Kontrolleure, sei denkbar schlecht.
Nach Informationen des Handelsblatt etwa sollen führende Köpfe bei einer Besprechung in der vergangenen Woche dem Chef sogar ihr Misstrauen ausgesprochen haben. Vorbereitet sei inzwischen außerdem, den Vermittlungsausschuss im Aufsichtsrat mit der Vorstandsbesetzung zu befassen. Dass solche Verfahrensschritte förmlich schon eingeleitet worden seien, dementierte eine Quelle. Unabhängig davon sei man jedoch zunehmend irritiert vom Verhalten des Konzernlenkers.
Vor allem Betriebsräte bemängeln den Kommunikationsstil von Vorstand Diess und fühlen sich laufend provoziert. Unterstützter des Managers halten dagegen Weckrufe zur Kostensituation für durchaus angebracht.
Diess verlangt schon länger eine höhere Rentabilität und Produktivität. Denn die Zahlen zum dritten Quartal fielen durchwachsen aus. Der Umsatz ging um 4 Prozent auf 56,9 Milliarden Euro zurück, das bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern um 12 Prozent auf 2,8 Milliarden Euro. Die Zwischenbilanz zeigte, wie akut besonders die Lieferschwierigkeiten bei Chips aktuell sind. Die Marken VW Pkw, Seat und Skoda aus der Gruppe "Volumen" fuhren alle operative Verluste ein, die Kernsparte VW verzeichnete ein Minus von 184 Millionen Euro.
"Die Ergebnisse zeigen einmal mehr, dass wir die Verbesserung der Produktivität im Volumenbereich jetzt konsequent vorantreiben müssen", meinte Diess. Bis 2030 will er das Stammwerk Wolfsburg fitmachen für den Wettbewerb mit Tesla, diese Herausforderung werde groß. "Sicherlich brauchen wir dazu einen Abbau von Stellen."
Betriebsratschefin und Aufsichtsrätin Daniela Cavallo dagegen geht weiter auf Distanz zu VW-Konzernchef Herbert Diess. Bei der Betriebsversammlung am Wolfsburger Stammsitz warf sie ihm laut Redemanuskript ein Spiel mit den Ängsten der Belegschaft vor neuem Jobabbau sowie Konzeptlosigkeit in der Bekämpfung der Chipkrise vor.
Während sich Diess mit PR-Aktionen beschäftige oder ausgerechnet mit Tesla-Chef Elon Musk als großem Konkurrenten öffentlichkeitswirksam posiere, lasse auch das Management der Versorgungsengpässe im eigenen Haus zu wünschen übrig, schimpfte Cavallo. Es stimme zudem nicht, wenn suggeriert werde, VW sei in Wolfsburg verglichen mit Tesla weniger produktiv - pro Kopf würden im Hauptwerk noch "sehr viel mehr Fahrzeuge" gebaut. "Die Wahrheit ist: Nicht das Werk oder die Beschäftigten sind ineffizient", so Cavallo. "Uns fehlen schlicht die Teile, mit denen wir unsere Autos bauen können."
Die erneute Diskussion um VW-Vorstand Herbert Diess kommt zu einem ungünstigen Zeitpunkt. VW steckt mitten im Umbau, weg von den Verbrennern, hin zu Elektroautos, Software und autonomes Fahren. Diess treibt den Umbau seit Monaten voran. Die Aktie ist durch den neu ausgebrochenen Führungsstreit weiter abgerutscht. Eine starke Unterstützung liegt bei 177 Euro. Halten.
(Mit Material von dpa-AFX).