VW wird für seine Beteiligung am Recycling-Kartell von der Europäischen Kommission zur Kasse gebeten. Die Reputation des Unternehmens, die erst jüngst wegen der Nähe des türkischen Vertriebspartners Doğuş Otomotiv zur Erdogan-Partei AKP Schaden genommen hat, leidet weiter. Gleichzeitig kommen im Zeichen von Trumps feindlicher Handelspolitik ausgerechnet vom US-Markt positive Nachrichten für VW.
Zwischen 2002 und 2017 sollen 16 führende Autohersteller zusammen mit dem Branchenverband Acea mehrmals wettbewerbswidrige Absprachen getroffen und systematisch gegen Umweltauflagen verstoßen haben. VW, BMW und Co. verweigerten den Demontagebetrieben die von der EU vorgegebenen Zahlungen für die Verwertung alter Fahrzeuge und tauschten zudem vertrauliche Vertragsinformationen untereinander aus. Die Hersteller einigten sich außerdem darauf, die Recyclingfähigkeit ihrer Fahrzeuge bewusst nicht als Verkaufsargument zu nutzen, um einen Wettbewerb um das nachhaltigste Auto zu vermeiden. Auf diese Weise blockierten sie aktiv die Entwicklung ambitionierter Umweltstandards jenseits der gesetzlichen Vorschriften.
Die Europäische Kommission reagiert auf diese Verstöße nun mit Strafen in Höhe von insgesamt 460 Millionen Euro, wovon die Hauptlast auf VW entfällt. Das Wolfsburger Unternehmen muss 127 Millionen Euro zahlen. Weitere Kartellstrafen wurden unter anderem Renault (81 Millionen Euro), Stellantis (75 Millionen Euro) und BMW (25 Millionen Euro) verhängt. Mercedes-Benz entgeht seiner 35-Millionen-Euro-Strafe vollständig, weil der Konzern als Kronzeuge auftrat und das Kartell überhaupt erst offenlegte. Der Lobbyverband Acea, der die Treffen zwischen den beteiligten Autobauern organisiert haben soll, wurde mit 500.000 Euro Strafe belegt.
Während VW in Brüssel zahlt, floriert das Geschäft in den USA: Im ersten Quartal dieses Jahres steigerte die Traditionsmarke ihren Absatz dort mit 87.915 verkauften Einheiten um 7,1 Prozent. Besonders gefragt waren das SUV-Modell Taos sowie die Limousine Jetta. Verantwortlich für diesen Boom sind jedoch mutmaßlich Vorziehkäufe, von dem die deutschen Autohersteller in den letzten Wochen profitierten. Viele US-Kunden wollen sich offenbar im Vorfeld der Einfuhrzölle auf EU-Produkte rechtzeitig mit Fahrzeugen eindecken. Die US-Zollpolitik hingegen wirft bereits ihre Schatten voraus und wird die deutsche Automobilindustrie in den nächsten vier Jahren auf holpriges Terrain führen.
Die VW-Vorzüge verlieren heute an der Börse im Einklang mit der gesamten Autobranche rund ein Prozent. Die Kartellstrafe fällt dabei kaum ins Gewicht. Vielmehr leiden die europäischen Auto-Aktien seit einer Woche kollektiv unter dem Zoll-Schock aus Übersee. Der dürfte nun weitgehend eingepreist sein. Die Autozölle sind auf den Weg gebracht, heute Abend will Donald Trump weitere Zölle auf Produkte anderer Branchen ankündigen. Für Anleger bietet der Rücksetzer von VW eine Einstiegsgelegenheit.