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Medien: Hier könnte Ihre Anzeige stehen – Wie Covid-19 ProSieben, RTL, SPIEGEL & Co trifft

Medien: Hier könnte Ihre Anzeige stehen – Wie Covid-19 ProSieben, RTL, SPIEGEL & Co trifft
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19.04.2020 ‧ Leon Müller

Im Blätterwald wird das Rauschen wieder lauter. Doch was man hört, sind keine Jubelgesänge. Es ist ein Abgesang. Im Fernsehen reiht sich Sondersendung an Sondersendung. Doch das, wovon das Privatfernsehen lebt, die Werbeblöcke, sie werden kürzer. Die Quoten steigen allenthalben, online wie linear. Doch die Profite sinken. Für die Medienbranche könnte Covid-19 das werden, was die Subprime-Kredite einst für die Finanzbranche gewesen sind: ein Gamechanger.

DER SPIEGEL, DIE ZEIT, der Jahreszeitenverlag – sie melden Kurzarbeit für ihre Beschäftigten an. Die RTL- Gruppe kassiert ihre Gewinnprognose, ProSiebenSat.1 womöglich bald seine Dividende. Der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) spricht gegenüber dem AKTIONÄR mit Blick auf die Entwicklung seit der elften Kalenderwoche von „Reduktionen zwischen 30-80 Prozent bei den Werbeeinnahmen, je nach Werbeträger und Segment“. Kurzum: Medien, ihre Mitarbeiter und ihre Anteilseigner durchleben Wochen des Horrors, gleich welchem Segment sie angehören. Seit Ausbruch der Coronavirus-Pandemie auch in Deutschland steht ihre Welt Kopf. Die Quoten steigen, die Profite sinken. Und mit jeder Woche, die vergeht, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass längst nicht alle Akteure ihren Kopf werden aus der Schlinge ziehen können, die ihnen durch Covid-19 umgelegt wurde.

Die Werbemärkte in Deutschland, Italien und Spanien schrumpfen. Die Prognose stammt allerdings aus der Zeit vor Corona. Der Einbruch dürfte somit weitaus stärker ausfallen. Quelle: Statista

Lange Nahrungskette, viele Verlierer

Zu beobachten ist eine Implosion der Geschäftsmodelle. Medien stehen am Ende einer langen Nahrungskette, an dessen Anfang die Werbetreibenden bestimmen, wo es langgeht. Dazwischen kämpfen einige große und sehr viele kleine Agenturen in normalen Zeiten um Marktanteile. Hinzu kommt der Kampf der Kanäle: Print, TV oder doch digital? Doch was ist schon normal in diesen Tagen? Die französische Publicis (Kunden unter anderem Nivea, Mercedes, L’Oréal) hat innerhalb von Wochen etwa sechs Milliarden Euro an Börsenwert verloren. WPP und Omnicom ist es nicht besser ergangen. 

Jedes Mitglied dieser Kette durchläuft derzeit einen Prozess, der sich im Nachgang mit „Disrupted by Corona“ überschreiben lassen wird.  

Beispiel MediaMarktSaturn – mit über 282 Millionen Euro im Jahr 2018 einer der Top-­Werbungstreibenden in Deutschland, muss umschwenken. Weil der Betrieb der Läden derzeit unmöglich ist, die bisherige Fokussierung auf den stationären Handel sich nun unmittelbar in fortlaufenden Kosten und zugleich wegbrechenden Erlösen rächt, muss der Konzern sofort umdenken. „Wir haben aufgrund der aktuellen Situation unsere Werbeausgaben reduziert und fokussieren uns auf digitale Marketingmaßnahmen“, so eine Sprecherin des Unternehmens gegenüber dem AKTIONÄR. Die Gruppe gehört zur Ceconomy AG. Die Aktie des Mutterkonzerns hat zuletzt rund zwei Drittel ihres Wertes eingebüßt. „Bisher war der Ausbau des E-Commerce für MediaMarktSaturn ein strategisches, langfristiges Ziel. Jetzt ist es auch ein taktisches Ziel, um zu überleben“, kommentiert Santiago Campillo-Lundbeck, Redakteur beim Fachblatt Horizont, die Entwicklung.  

Am Anfang der Kette kommt es somit zu einer Erosion der Ausgaben. Hier auf die Bremse zu treten ist vergleichsweise effizient – und vor allem sofort möglich. Selbst die Beantragung von Kurzarbeit bedarf mehr Zeit als ein Cut bei den Werbe- Spendings. Alles andere wäre auch fahrlässig. Birte Kleppien, Sprecherin der Radeberger Gruppe – Deutschlands größter Brauerei – erklärt die Situation wie folgt: „In einer Zeit, in der niemand absehen kann, wann die Maßnahmen von Bund und Ländern zur Bekämpfung der Coronapandemie ausgesetzt werden können und das wirtschaftliche Leben in Deutschland und der Welt somit wieder starten kann, wäre es unternehmerisch geradezu fahrlässig, Werbebudgets unverändert zu belassen. So haben wir natürlich auch unsere Budgets überprüft und angemessen auf die lebende Lage, in der wir uns befinden, angepasst.“ 

Andere wollen sich nicht äußern. Aber MediaMarktSaturn und Radeberger als Ausnahmen anzunehmen, wäre illusorisch. Weitaus radikaler agiert Coca-Cola: Der US-Brause-Multi hat sein Werbebudget reduziert – auf null. Stattdessen spendet Coca-Cola 120 Millionen US-Dollar für Covid-19-Hilfsmaßnahmen. Ein kluger Schachzug, der aufs Image der Marke einzahlt, die eigentlichen Profiteure der Werbebuchungen – allen voran TV und Out-of-home – aber hart trifft. 

Erschwerend kommt hinzu: Die Coronakrise trifft auf einen ohnehin schwächelnden Werbemarkt. Eine Erhebung von Dentsu Aegis Network aus dem November vorigen Jahres sieht den Markt in Deutschland schrumpfen. Nach minus 1,1 Prozent in 2019 soll(te) der Umsatz im Jahr 2020 um weitere 1,5 Prozent zurückgehen. Sollte, denn da war Corona bestenfalls noch als Name einer Biermarke, nicht aber als Bezeichnung des neuen Virus bekannt. 

Ausnahmen ohne höhere Einnahmen

Während TV und Print ohnehin mit einem schwachen Umfeld zu kämpfen haben, kennt die Werbebranche auch Gewinner: Out-of-Home und Digitalwerbung wird eine große Zukunft beschieden. Für eines der beiden Segmente gilt das nicht mehr vollumfänglich. Im Segment Out-of-home, in dem die Kölner Firma Ströer eine führende Position einnimmt, ist ebenfalls mit einem heftigen Rückgang der Erlöse zu rechnen. Innenstädte, Flughäfen, Bahnhöfe – sie sind seit Verhängung der Ausgehbeschränkungen verwaist. Ströer indes sieht sich auf die Krise gut vorbereitet: „Die positiven Entwicklungen der Non-OOH-Geschäftsfelder“ könnten die „in der Krise erwarteten, schwächeren Entwicklungen im Außenwerbebereich kompensieren.“ Mit Non-OOH ist etwa die Vermarktung von Werbeflächen im Internet gemeint, darunter etwa auf dem reichweitenstarken Portal t-online.de. Insofern mag die Coronakrise Ströer weniger hart treffen als andere. Zu einer „verlässlichen Vorhersage der Geschäftsentwicklung“ sieht sich das Unternehmen aufgrund der mit der Krise verbundenen Unsicherheiten dennoch nicht in der Lage. Anleger können sich aber darauf einstellen, dass das Rekordergebnis aus dem Vorjahr nicht wiederholt werden kann – und schon da waren sowohl Umsatz als auch Ergebnis nur marginal gewachsen.

Zeitungen und Magazine in Existenznot

Am schlimmsten betroffen sind am Ende die kleinsten Glieder in der Kette: Der Verband Deutscher Lokalzeitungen (VDL) spricht von „zum Teil existenzbedrohenden Anzeigen- und Beilagenrückgängen im Lokalen“. Weiter oben, bei den überregionalen und nationalen Zeitungen und Magazinen ist die Lage nicht weniger prekär, wie das Beispiel DER SPIEGEL zeigt. Dietmar Wolff, Hauptgeschäftsführer beim Bundesverband deutscher Zeitungsverleger (BDZV) sieht die Einnahmen der Verbandsmitglieder wegbrechen: „Das ist leider so. Das führt in vielen Verlagen schon jetzt zu Problemen.“ Besonders bemerkbar mache sich das im Lokalen: „Am deutlichsten betroffen sind neben dem Eventbereich auch Gastronomie und klassische stationäre Einzelhandelsanzeigen.“ Bei vielen Verlagen rächt sich jetzt die mangelnde Auflösung struktureller Probleme, die in den vergleichsweise guten Zeiten vor Corona noch einfacher möglich gewesen wäre: Mit Bordexemplaren aufgeblähte Auflagen, hohe Abonnentenprämien – sie waren lange Zeit Garant für hohe Anzeigenerlöse und das lebenserhaltende Geschäftsmodell vieler Publikationen. Dieses Geschäftsmodell steht jetzt vor dem Aus. Wolff fügt an: „Das Thema wird sein, ob die Gesellschaft auch nach der Krise bereit ist, Geld für diese Leistung auszugeben.“ Der Verband spielt die Systemrelevanz-Karte. Das zeigt, wie eng die Schlinge inzwischen gezogen ist.

Einbruch bei Verkaufszahlen

Wer seinen Erfolg auf der Höhe der Auflage aufbaut, für den wird sich die Krise in den kommenden Wochen sogar noch verschärfen. Ein Blick in die Zahlen der Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern (IVW) ergibt, dass etwa DER SPIEGEL über sieben Prozent seiner verkauften Auflage sogenannten Bordexemplaren zu verdanken hat. Weil die Flotten der großen Airlines am Boden stehen, dürfte die Zahl der Bordexemplare massiv zurückgehen. Beim Wettbewerber Focus ist die Situation noch kritischer. Das im Burda Verlag erscheinende Wochenmagazin stützt seine verkaufte Auflage zu beinahe 16 Prozent auf Bordexemplare. Noch vor Jahresfrist war es über ein Viertel. Diese Krise zeigt auch: Glücklich ist derjenige, der sein Geschäftsmodell an Vertriebs- und weniger an Werbeerlösen ausgerichtet hat. Das aber trifft auf die wenigsten Publikationen zu. Dennoch: Santiago Campillo-Lundbeck sieht in der Entwicklung auch eine Chance für die großen Magazine: „In der Krise verspürt man den Impuls, zu bekannten Marken zurückzukehren. Nachrichtenmagazine haben die Chance, die Krise zu nutzen, um sich auf dem Lesermarkt zu stärken.“ Dass das Segment nervös ist, offenbart ein Schritt von Gruner + Jahr. Das Hamburger Verlagshaus hat kurzerhand alle Publikationen kostenfrei ins Netz gestellt. Offiziell will man so die Kampagne #WirBleibenZuhause unterstützen. Inoffiziell dürfte dahinter das Kalkül stecken, neue Leser zu gewinnen – und für die Zeit nach der Krise zu binden. Ausgang ungewiss. Gewiss indes ist, dass man sich mit diesem Schritt in der Branche keine Freunde gemacht hat. Die oftmals bemängelte Kostenlos-Mentalität der Leser digitaler Inhalte haben die Verlage schließlich durch ein Überangebot kostenloser Inhalte selbst zu verantworten.

Mediaset und CMI besitzen ­zusammen bereits über 30 ­Prozent der ProSieben-Anteile. Gerüchten zufolge will Mediaset weiter aufstocken.

TV-Konzerne können nicht profitieren

Zeitungen und Magazine kämpfen nicht erst seit Corona mit strukturellen Problemen. Doch was für sie gilt, gilt zum Teil auch für den TV-Markt. Auch hier macht sich die einseitige Ausrichtung auf Werbeerlöse schmerzhaft bemerkbar. Die beiden großen deutschen Sendergruppen ProSiebenSat.1 und RTL Group haben ihre Geschäftsmodelle angesichts der Auswirkungen dieser Krise bisher nur unzureichend weiterentwickelt. Mit Folgen. „Während das erste Quartal des Jahres 2020 weitgehend den Erwartungen entspricht, werden Stornierungen für Werbebuchungen und Verschiebungen von Produktionen die Ergebnisse der RTL Group in den kommenden Monaten negativ beeinflussen“, gesteht denn auch Björn Bauer gegenüber dem AKTIONÄR ein. Er verantwortet als CFO die Finanzen bei der RTL Group und musste unlängst die Prognose für das Gesamtjahr ebenso wie den Dividendenvorschlag für das zurückliegende Geschäftsjahr kassieren (siehe auch Seite 27). In der Folge könnten die nationalen Champions die Konkurrenz aufgeben und stattdessen in verstärkte Kooperation treten, wenngleich kartellrechtliche Bedenken diesem Bestreben Einhalt gebieten dürften – noch. „Das Kartellrecht ist diesbezüglich nicht mehr weiter biegsam, Konzentration somit kaum mehr möglich“, sagt auch Santiago Campillo-Lundbeck.

„Allianzen und Partnerschaften zwischen europäischen Medienunternehmen werden immer wichtiger“, sagt RTL-CFO Bauer und meint damit eine inhaltliche oder projektbezogene Arbeit. CEO Thomas Rabe moniert in diesem Zusammenhang: „Die heutigen Marktdefinitionen der Regulierungsbehörden schränken unsere Handlungsoptionen stark ein, weil sie nicht die Marktrealitäten widerspiegeln.“ Die Bewegtbildfusion könnte „durch die Hintertür kommen“, spekuliert Campillo-Lundbeck. Nämlich dann, wenn die beiden deutschen Sendergruppen übereinkommen, im Streamingmarkt eine gemeinsame Lösung anzubieten, um zusammen gegen das Überangebot durch die Öffentlich-Rechtlichen, aber insbesondere gegen global agierende Plattformen wie Netflix, Amazon Prime sowie neuerdings auch Disney+ zu bestehen.  

Doch selbst ein größerer Eingriff in den deutschen TV-Markt erscheint nicht mehr ganz unwahrscheinlich. Die italienische Mediaset, kontrolliert von der Familie des ehemaligen Ministerpräsidenten Italiens, Silvio Berlusconi, kauft seit einiger Zeit ProSiebenSat.1-Aktien am freien Markt. Zuletzt wurde spekuliert, die Italiener hätten eine entsprechende Anfrage beim Bundeskartellamt gestellt. Ziel: über die Schwelle von 25 Prozent gehen und damit einen „wettbewerblich erheblichen Einfluss“ ausüben. ProSieben verweist auf Anfrage darauf, sich nicht zu Spekulationen zu äußern. Doch Fakt ist: Das Unternehmen ist derzeit zum vermeintlichen Spottpreis zu haben. Patrick Schmidt, Analyst bei Warburg Research, sieht den Wert der Aktie bei zwölf Euro. Zu haben ist sie derzeit für nicht einmal acht. Ein Grund für das Potenzial: die NuCom Group, in der ProSiebenSat.1 Angebote wie Parship und eharmony, Verivox und flaconi bündelt. Wert allein: 1,3 Milliarden Euro, Tendenz steigend, etwa auf über 1,8 Milliarden in 2021. Diese Summe übersteigt derzeit den Gesamtwert des Unternehmens an der Börse. Die Zukunft der Sendergruppe, die zuletzt ihren CEO Max Conze unsanft hinausbefördert und CFO Rainer Beaujean als Vorstandssprecher installiert hat, könnte brutal einfach aussehen: Filetierung. Das TV-Geschäft geht an Mediaset, die E-Commerce-Aktivitäten an den tschechischen Milliardär Daniel Kretinsky. Dessen Firma Czech Media Invest hatte zuletzt den Anteil an ProSieben auf über zehn Prozent aufgestockt.

Zwei Spekulationen

Die Medien, gleich ob Print oder TV, befinden sich im Umbruch. Anleger, die eine Spekulation nicht scheuen, können die Aktien der beiden Sendergruppen RTL und ProSiebenSat.1 ins Auge fassen. Beide haben Turnaround-Chancen. Bei ProSieben kommt Übernahme- respektive Zerschlagungsfantasie hinzu.

Dieser Artikel ist in DER AKTIONÄR Nr. 16/2020 erschienen, welches Sie hier als PDF gesamt herunterladen können.

von Leon Müller und Viola Grebe

Hinweis auf Interessenkonflikte: 

Der Vorstandsvorsitzende und Mehrheitsinhaber der Herausgeberin Börsenmedien AG, Herr Bernd Förtsch, ist unmittelbar und mittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate eingegangen, die von der durch die Publikation etwaig resultierende Kursentwicklung profitieren: ProSiebenSat.1

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