Alibaba, JD.com, Nio, Netease, Pinduoduo – die Liste prominenter China-Aktien, die gestern unter Druck geraten sind, ist lang. Der Grund für die abrutschenden Kurse: Für den morgigen Mittwoch wurde in den USA eine Abstimmung angesetzt, die für chinesische Unternehmen, die an US-Börsen gelistet sind, wegweisend sein könnte.
Im US-Repräsentantenhaus soll über den Holding Foreign Companies Accountable Act abgestimmt werden. Dieser könnte letztendlich ein Delisting von Anteilen chinesischer Unternehmen an US-Börsen innerhalb der nächsten drei Jahre zur Folge haben. Es geht um einen Börsenwert von insgesamt rund zwei Billionen Dollar.
Ein Ausweg wäre, dass sich die Prüfer der chinesischen Unternehmen der Aufsichtsbehörde über die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften (Public Company Accounting Oversight Board) unterordnen. Bislang ist es für chinesische Wirtschaftsprüfer allerdings illegal, sich von einer ausländischen Aufsichtsbehörde kontrollieren zu lassen.
Die Delisting-Angst ist ein Dauerthema. Es ist ein verständliches Anliegen der USA, Unternehmen aus dem Ausland nicht Zugang zu den eigenen Kapitalmärkten zu gewähren, wenn deren Jahresabschlüsse nicht geprüft werden können. In der Vergangenheit gab es mehrfach Betrugsfälle bei chinesischen Unternehmen, die in den USA gelistet sind.
Noch ist viel Zeit für Verhandlungen. Selbst im schlimmsten Fall würden die Anteile von Alibaba und Co nicht auf einmal wertlos werden. Allerdings wäre es möglich, dass es zu einer Privatisierungswelle kommt, bei der Anleger aus den Unternehmen herausgekauft werden. Oder es könnte zu Kapitalabflüssen kommen, weil einige US-Anleger keinen Zugang zum Handelsplatz in Hongkong haben (oder haben wollen). Alibaba und JD.com sind dort beispielsweise inzwischen zweitnotiert und könnten einen Umtausch von Anteilen anbieten.
DER AKTIONÄR rät Anlegern weiterhin, sich nicht über Gebühr verunsichern zu lassen. Wer beispielsweise vergangenes Jahr aus Angst vor einem Delisting auf den Kauf von Alibaba, JD.com oder Pinduoduo verzichtet hätte, dem wären Gewinne entgangen, gegen die fünf Prozent Tagesverlust verblassen.
Der Autor hält unmittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren: Alibaba, JD.com.