Die besten Aktien fürs 4. Quartal >> im Heft
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10.08.2024 Lina Ahlf

Richard W. Schabacker: Der Chart-Champion

Immer dann, wenn an der Börse das Wort „Crash“ auftaucht, wandern die Blicke der Anleger zu Charts. Ist irgendwo ein Trend zu erkennen? Welche Aktien rauschen gänzlich in die Tiefe? Sagen Chartmuster schon irgendetwas über die Zukunft aus? Einer, der sich ganz besonders intensiv mit genau diesen Fragen beschäftigte, war Richard W. Schabacker. Seiner Neugier für Charts ist es zu verdanken, dass die Technische Analyse bis heute das ist: ein wertvolles Tool zur Bewertung von Aktien. DER AKTIONÄR stellt den Pionier vor. 

Es ist der ewige Kampf: Was funktioniert in der Aktienanalyse besser – Fundamentalanalyse oder Technische Analyse? Fragt man bekannte Börsengenies wie beispielsweise André Kostolany, ist die Antwort mehr als deutlich: Von Chartanalyse hielt Kosto gar nichts. Zeitlebens räumte er ihr nur eine untergeordnete Rolle zu. Einst sagte er sogar: „Chartlesen ist eine Wissenschaft, die vergebens sucht, was Wissen schafft.“

Fragt man Jim Rogers, der den berühmten Quantum Fonds gemeinsam mit Starinvestor George Soros zu einer Erfolgsgeschichte machte, erhält man eine ähnlich konsequente Antwort: „Mir ist noch kein reicher Techniker begegnet.“

Und doch gibt es sie: Anleger und Investoren, die ihr Glück und ihren Anlageerfolg in der Chartanalyse finden. Dazu zählte auch ein gewisser US-amerikanischer Finanzredakteur in den 1920er- und 1930er-Jahren: Richard W. Schabacker. Von diesem Namen haben Sie noch nie etwas gehört? Keine Sorge, damit sind Sie nicht allein. Wirklich viel ist über Schabacker tatsächlich nicht bekannt. Er war eben der Pionier, den kaum jemand kannte, und flog in den 1920er- und 1930er-­Jahren gänzlich unter dem Radar. Und trotzdem hat die Börsenwelt diesem eher unbekannten Börsengenie vieles zu verdanken. Nachweislich war er einer der einflussreichsten Börsianer seiner Zeit. Er war der Urvater der Technischen Analyse, wie wir sie heute kennen. Seine Ideen zur Beurteilung von Aktien veränderten die Welt der Aktienanalyse gänzlich.

Nvidia Chart
Signal abwarten: Nvidia lief 2023 monatelang seitwärts und scheiterte mehrfach an der 50-Dollar-Marke. Erst mit dem Ausbruch (grüner Kreis) wurde ein deutliches Kaufsignal generiert.

„Es gibt keine absolut ­sichere Methode, „die Börse zu schlagen“. (…) Nichtsdestoweniger bringt das Wissen und die vernünftig abwägende Anwendung der Technischen Analyse eine gute Dividende – sie ist wesentlich gewinnbringender (und viel sicherer) für den durchschnittlichen Anleger als jede andere augenblicklich bekannte und übliche Methode zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren.“

Robert D. Edwards, Technischer Analyst

Urvater der Technischen Analyse

Bis auf ein paar Fakten ist nichts über Richard Schabacker bekannt. Geboren wird er 1899 und arbeitet als Finanzredakteur, Analyst und Trader in den 1920er-Jahren unter anderem für das Magazin Forbes. Dort verantwortet er vor allem das Magazin Annalist, eine Finanzbeilage der New York Times („A Magazine for Finance, Commerce and Economics“), und schreibt drei Börsenbücher. Später wird sich herausstellen, dass diese zu den einflussreichsten Börsenbüchern der Welt gehören. Besonders trifft das auf sein zweites Buch zu: „Technical Analysis and Stock Market Profits“ – auf Deutsch „Börsengewinne mit Technischer Analyse“ aus dem Jahr 1932. Heute wissen wir: Es ist DER Charttechnik-Klassiker. Warum? Schabacker fasste darin alle Grundlagen zur Technischen Analyse zusammen und legte damit das Fundament zur Beurteilung von Aktiencharts vor, auf das noch heute zurückgegriffen wird. Seinen Aufzeichnungen ist es überhaupt zu verdanken, dass die Technische Analyse als ernst zu nehmendes Hilfsmittel am Aktienmarkt gesehen wird (auch wenn Jim Rogers und André Kostolany an dieser Stelle vermutlich vehement widersprechen würden).

Richard W. Schabacker, Börsengewinne mit Technischer Analyse
Richard W. Schabacker, Börsengewinne mit Technischer Analyse, 496 Seiten, 59,00€ - Das erstmals 1932 erschienene Buch beeindruckt durch Breite und Tiefe sowie durch die klare und präzise Heranführung an die Prinzipien der Technischen Analyse. Es gilt daher unter Profis und Kennern als absoluter Klassiker. Jetzt liegt das Standardwerk der Charttechnik in einer modernen Übersetzung vor.

Er schrieb also ein Buch, das so episch war, dass es die Börse revolutionieren würde – so weit, so gut. Es bestand nur ein Problem: Von Schabackers Buch gab es nur einige wenige Exemplare, da der Druck von Büchern zur damaligen Zeit sehr aufwendig und teuer war. Folglich waren diese wenigen Exemplare sehr schnell vergriffen und galten sogar als mehr oder weniger verschollen.

Zum Glück überreichte Schabacker seine Notizen und Erkenntnisse kurz vor seinem Tod 1935 seinem Schwager Robert D. Edwards, den viele als Börsenpionier in Sachen Trendanalyse kennen – und rettete so das Wissen rund um die Technische Analyse in die Neuzeit.

Edwards überarbeitete die ihm überreichten Unterlagen gemeinsam mit seinem Kollegen John F. Magee, erweiterte diese um weitere Erkenntnisse und brachte die Aufzeichnungen 1937 an die breite Öffentlichkeit. Erst jetzt wurden Schabackers Grundsätze so richtig berühmt. Weil Schabacker jedoch bereits 1935 im Alter von nur 36 Jahren verstarb, konnte er den Ruhm für sein Werk nicht mehr einstreichen.

Tesla Chart
Fehlsignal: Teslas charttechnischer Ausbruch im Juli 2024 erwies sich als klassisches Fehlsignal. Der Kurs bröckelte in der Folgezeit ab und notiert nun erneut unterhalb der langfristigen Abwärtstrendlinie.

„Richard W. Schabacker gilt als der Urahn der Technischen Analyse, seine Theorien und sein Scharfsinn beeinflussen Investmentstrategien noch heute.“

The Economic Times

„Bibel der Charttechnik“

Das Lebenswerk von Richard Schabacker zieht sich durch die Börsenlandschaft wie ein roter Faden, denn tatsächlich greifen die meisten Werke, die nach seinem Tod über die Technische Analyse geschrieben wurden, Schabackers Grundprinzipien der Charttechnik auf. Verwunderlich ist das nicht, da er alle Grundkenntnisse, die Anfänger und fortgeschrittene Anleger für die Beurteilung von Aktiencharts brauchen, in Hülle und Fülle erläutert. Alle wichtigen Muster, Formationen, Trends und Unterstützungs- oder Widerstandsbereiche werden in zwölf Lektionen erklärt. Klingt nach viel? Ist es auch – das muss an dieser Stelle anstandslos zugegeben werden. Was wir allerdings auch sagen können: Alt-­backen und verstaubt ist dieses Wissen trotz fast 100 Jahren Zeitunterschied zu heute nicht – das Gegenteil ist der Fall. Schabacker schaffte es, zeitlos zu bleiben, und machte sich an der Börse unsterblich. Seine fünf goldenen Börsenregeln haben bis heute nichts von ihrer Gültigkeit verloren:

1. Warten Sie auf den richtigen Moment:

Seien Sie geduldig und warten Sie, bis ein Chart ein Muster ausbildet, das eindeutig genug ist, um zu handeln.

2. Vermeiden Sie zu viele Trades:

Zu viele Trades führen möglicherweise zu finanziellen Verlusten (und gehen im wahrsten Sinne des Wortes auf die Nerven).

3. Achten Sie auf Ihre Risikoverteilung:

Chartmuster sind nützlich und Anleger sollten sie zu schätzen wissen, aber: Chartmuster sind gleichzeitig fehlbar und können im nächsten Moment umkehren. Halten Sie Ihr Risiko daher mittels Diversifizierung gering.

4. Erzwingen Sie keine Chartmuster:

Versuchen Sie stets, das Gesamtbild zu sehen, und malen Sie nicht Ihr eigenes Wunschbild. Vermeiden Sie es, Chartmuster dort zu erkennen, wo keine sind. Bleiben Sie bei den Fakten. 

5. Schätzen Sie Ihr Risiko ab:

Seien Sie sich vor Ihrem Trade bewusst, dass es ein Risiko gibt. Ihre Hoffnung und Ihre Erwartungen dürfen Ihre Entscheidung nicht beeinflussen – Sie müssen damit rechnen, dass Sie genauso gut falschliegen können.

Ein Zeitpunkt, diese Regeln auf die eigene Anlagestrategie anzuwenden, bietet sich immer wieder – in guten wie in schlechten Zeiten. 

Baidu Chart
Bei Baidu kam es in den vergangenen ­Monaten immer wieder zu Gegenbewegungen (rote Kreise), die eine Erholung vermuten ließen. In Wahrheit befindet sich der Wert in einem intakten Abwärtstrend.

Dieser Artikel ist in DER AKTIONÄR Nr. 33/2024 erschienen, welches Sie hier als PDF gesamt herunterladen können.

Buchtipp: Börsengewinne mit Technischer Analyse

Mit „Technical Analysis and Stock Market Profits“ begründete Richard W. Schabacker im Jahr 1932 nicht nur die Technische Analyse, er legte die Messlatte für alle Nachfolger auch gleich enorm hoch. Das Buch beeindruckt durch Breite und Tiefe sowie durch die klare und präzise Heran-führung an die Prinzipien der Technischen Analyse. Und so gilt es unter Profis und Kennern als absoluter Klassiker, den man – obwohl stolze 90 Jahre alt – immer noch mit Gewinn studieren kann, ja, studieren sollte. Dies gilt umso mehr, weil das Standardwerk der Charttechnik nun in einer modernen Übersetzung vorliegt.

Börsengewinne mit Technischer Analyse

Autoren: Schabacker, Richard W.
Seitenanzahl: 496
Erscheinungstermin: 14.09.2023
Format: Hardcover
ISBN: 978-3-86470-825-1

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