Die türkische Lira hat zum Wochenstart weitere Rekord-Tiefstände ausgelotet. Obwohl die Türkei unter einer extremen Inflation leidet, wird allgemein mit einer weiteren Leitzinssenkung in dieser Woche gerechnet. Eigentlich müssten die Zinsen erhöht werden, um das Ausland zum Investment in die Lira zu animieren.
Die Türkei-Währung hat ihre Talfahrt fortgesetzt und ist auf neue Rekordtiefs zum Dollar und zum Euro gefallen. Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan, ein erklärter Gegener hoher Zinsen, hatte in der vergangenen Woche gleich drei hochrangige Notenbanker entlassen, die auf höhere Zinssätze hinwiesen. Damit ist der Druck auf die Notenbank gestiegen, in dieser Woche trotz einer sehr hohen Inflation die Zinsen zu senken.
"Die Notenbank nimmt keine Rücksicht mehr auf die Folgen ihrer Zinspolitik für Wechselkurse, Inflation und letztendlich für die Stabilität der türkischen Volkswirtschaft", kommentierte Ulrich Leuchtmann, Devisenexperte der Commerzbank. Schließlich würden die wirklichen Entscheidungen im Präsidentenpalast getroffen.
Auch die Société Générale (SocGen) erwartet eine "irrationale" Zinssenkung um bis zu 100 Basispunkte. Erdoğan habe "effektiv alle Widerstände gegen seine unorthodoxe Ansicht beseitigt, dass hohe Zinsen eine hohe Inflation verursachen", schrieben SocGen-Analysten in einer Kundennotiz.
Trotz der "Irrationalität" weiterer Zinssenkungen habe es "keinen Sinn mehr, traditionelle wirtschaftliche Argumente bei der Betrachtung des wahrscheinlichen Vorgehens der Zentralbank zu unterstellen", schrieben sie laut Reuters. Die Stabilität der türkischen Volkswirtschaft gerät immer mehr in Mitleidenschaft.
Die türkische Lira sackte am Montag auf neue Rekordtiefen ab. Eine Lira kostete nur noch 0,0925 Euro bzw. 0,1071 Dollar. Umgekehrt stieg der Euro auf 10,8349 Lira – ein neues Allzeithoch (siehe Chart).
Schon vor einem Monat hatte die türkische Notenbank die Märkte mit einer Leitzins-Senkung überrascht. Sie senkte den Leitzins von 19 auf 18 Prozent – bei einer derzeitigen Inflation von 19,6 Prozent. Das offizielle Inflationsziel der Zentralbank liegt bei fünf Prozent.
Laut dem Ökonomen Arda Tunca vom Finanzdienstleister Eko Faktoring habe die Lira in den vergangenen Jahren ihren institutionellen Rückhalt verloren. Die erneute Personalrochade deute "stark darauf hin, dass die Zentralbank nicht mehr in der Lage ist, die Geldpolitik der Türkei zu steuern", zitiert ihn das Manager-Magazin.
Nach Einschätzung des Ökonomen Thomas Gitzel von der Liechtensteiner VP Bank ist am Ende einer solchen Verkettung selbst eine Staatspleite nicht ausgeschlossen. "Sollte es dem Land nicht gelingen, nachhaltiges Vertrauen in seine Geldpolitik zu schaffen, so ist die Türkei ein Kandidat für einen Zahlungsausfall", so Gitzel in der vergangenen Woche gegenüber dem Manager-Magazin. (Mit Material von dpa-AFX)
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