Eine überraschend deutliche Inflationsabschwächung hat dem US-Aktienmarkt weitere Gewinne beschert. An der allgemein erwarteten Leitzinsanhebung der US-Notenbank Fed an diesem Mittwoch wird das zwar nichts ändern. Ökonom Thomas Gitzel von der VP Bank rechnet aber damit, „dass die US-Inflationsraten in den kommenden Monaten weiter merklich nachgeben werden“ und so „Druck von der Fed nehmen, weiter deutlich an der Zinsschraube zu drehen“.
Direkt zur Handelseröffnung zog der Dow Jones Industrial bis auf 34.712 Punkte an, was den höchsten Stand seit fast acht Monaten bedeutete. Zuletzt behauptete der Leitindex bei 34.208,76 Punkten allerdings nur noch ein Plus von 0,60 Prozent. Der marktbreite S&P 500 legte mit 1,36 Prozent auf 4044,88 Punkte deutlicher zu. Der mit Technologiewerten gespickte Auswahlindex Nasdaq 100 zog sogar um 2,17 Prozent auf 11.960,83 Punkte an. In ihm versammeln sich etliche Titel, die besonders deutlich von der Hoffnung auf ein baldiges Ende des Zinserhöhungszyklus profitieren.
Die hohe Inflation in den USA hat sich im November stärker als erwartet abgeschwächt, wie die jüngsten Verbraucherpreisdaten zeigen. Es ist der fünfte Rückgang der Inflationsrate in Folge. Die Volkswirte der Commerzbank halten es für "nahezu sicher", dass die Fed am Mittwoch den Leitzins nur um einen halben Prozentpunkt anheben wird, nach zuletzt vier Erhöhungen um jeweils 0,75 Punkte. Für Dirk Chlench, Volkswirt bei der Landesbank Baden-Württemberg, ist selbst eine Anhebung um nur 0,25 Punkte "nun nicht mehr völlig ausgeschlossen."
Einige Unternehmensnachrichten stießen am Markt ebenfalls auf ein positives Echo. Die Aktien von Moderna schossen als Spitzenreiter im Nasdaq 100 um fast 21 Prozent hoch und knackten zeitweise erstmals seit Mitte Januar die 200-Dollar-Marke. Das vor allem dank seines mRNA-Coronaimpfstoffs bekannt gewordene Biotech-Unternehmen und der Pharmariese Merk & Co teilten mit, laut einer Phase-II-Studie senke eine Kombination aus einem personalisierten mRNA-Krebsimpfstoff von Moderna und Mercks Tumor-Arzneistoff Pembrolizumab das Todes- und Wiedererkrankungsrisiko bei bestimmten Hautkrebspatienten in einem fortgeschrittenen Stadium erheblich im Vergleich zu einer Monotherapie mit Pembrolizumab.
Die Merck-Titel reagierten mit einem Plus von rund einem halben Prozent recht verhalten auf die Nachricht. Dagegen zogen die in New York gelisteten Anteilsscheine des Mainzer Moderna-Konkurrenten Biontech um 5,7 Prozent an.
Beim Softwarekonzern Oracle konnten sich die Anleger nach Quartalszahlen über einen Kursanstieg um 1,4 Prozent freuen. Dank florierender Cloud-Services laufen die Geschäfte beim SAP -Konkurrenten weiter rund. Er übertraf die Markterwartungen, einige Analysten hoben ihre Kursziele für die Aktie an.
Die Papiere des Flugzeugbauers Boeing bekamen durch einen Großauftrag nur kurz Aufwind und gewannen zuletzt ein halbes Prozent. Die Fluggesellschaft United Airlines bestellt 100 "Dreamliner". Zudem sicherte sich die Lufthansa -Partnerin aus den USA Kaufoptionen für weitere 100 Maschinen des Typs. Außerdem übt United eine Option zum Kauf von 44 Maschinen des Typs 737 Max aus, bestellt weitere 56 dieser Flugzeuge und sichert sich weitere 100 Optionen für den Jet. Erst nach Handelsbeginn veröffentlichte Auslieferungs- und Auftragszahlen für den November gaben den Boeing-Aktien keinen zusätzlichen Schub.
Deutliche Kursgewinne von über zwei Prozent verbuchten indes die Papiere von Pfizer nach einer Kaufempfehlung von Goldman Sachs. Neue Produkte und die Forschungspipeline des Pharmakonzerns übertrumpften die Unsicherheiten hinsichtlich der weiteren Corona-Entwicklung, schrieb Analyst Chris Shibutani. Auch Trung Huynh von der Credit Suisse lobte das Pipeline-Potenzial.