Im Whitepaper wird der Bitcoin als elektronisches Peer-to-Peer-Bezahlsystem beschrieben, das ohne zentrale Kontrollinstanzen wie Banken auskommt. Mit Blick auf die technische Gestaltung mag das stimmen, doch die Verteilung der bisher geschürften Coins ist trotzdem alles andere als dezentral.
Wie das Wall Street Journal unter Berufung auf eine Studie des US-amerikanischen National Bureau of Economic Research berichtet, halten die 10.000 größten Bitcoin-Accounts zusammen rund fünf Millionen Bitcoins im Wert von rund 232 Milliarden Dollar. Gemessen an den rund 114 Millionen Krypto-Accounts, die es nach Daten von crypto.com auf der ganzen Welt gibt, bedeute das, dass die oberen 0,01 Prozent der Bitcoin-Investoren 27 Prozent der rund 18,9 Millionen Bitcoins besitzen, die bereits im Umlauf sind.
Damit sei die Wohlstandsverteilung im Bitcoin-Netzwerk noch ungleicher als im US-Dollar-System, wo das reichste eine Prozent der Haushalte nach Daten der Notenbank Fed rund ein Drittel des gesamten Wohlstands auf sich vereint.
„Obwohl es den Bitcoin seit 14 Jahren gibt und sich ein Hype darum entwickelt hat, ist es immer noch ein sehr konzentriertes Ökosystem“, so Antoinette Schoar, Finanzprofessorin am MIT und eine der Macherinnen der Studie. Diese Konzentration berge mehrere Gefahren für das Bitcoin-Netzwerk – etwa eine erhöhte Anfälligkeit für systemische Risiken. Zudem würde nur eine geringe Minderheit von den Kursgewinnen und der fortschreitenden Mainstream-Adoption der Kryptowährung profitieren.
Aus der Bitcoin-Szene kommt Kritik
Aus der Krypto-Szene kommt natürlich prompt Widerspruch – schließlich ist der dezentrale Charakter der digitalen Leitwährung eins der Kernargumente, die Bitcoin-Fans gerne hochhalten. Mati Greenspan, Gründer der Fintech-Analysefirma Quantum Economics, gibt beispielsweise zu bedenken, dass ein beachtlicher Teil der Coins seit Jahren unangetastet in einer Wallet des Bitcoin-Erfinders hinter dem Pseudonym Satoshi Nakamoto schlummern.
„Satoshis Coins alleine machen schon mehr als fünf Prozent aus“, sagte er dem Branchenportal Cointelegraph. Außerdem sei der Bitcoin so designt, dass sich der Besitz mit der Zeit weiter verteilt. Bei Fiatwährungen wie dem Dollar sei das Gegenteil der Fall, so Greenspan.
Ein weiterer Kritikpunkt an der Studie: Ein kaum zu beziffernder Anteil aller bisher geschürften Bitcoins ist unwiederbringlich verloren. Die Krypto-Versicherungsfirma Coincover geht von vier Millionen beziehungsweise 21 Prozent aller bereits im Umlauf befindlichen Einheiten aus. Dies müsste bei der Betrachtung der Wohlstandsverteilung ebenfalls berücksichtigt werden.
Dass das Bitcoin-Netzwerk ohne zentrale Kontrollinstanzen auskommt, bedeutet nicht, dass es bei der Verteilung der Coins nicht auch zu einer starken Konzentration kommen kann. Andererseits: Niemand muss einen ganzen Bitcoin kaufen, um an der Kursentwicklung zu partizipieren. Da ein Coin bis zur achten Nachkommastelle teilbar ist, kann theoretisch jeder ein Stück vom Kuchen haben.
DER AKTIONÄR rät mutigen Anlegern mit langem Atem ohnehin seit Jahren zum Aufbau einer kleinen Bitcoin-Position als spekulativer Depotbeimischung.
Hinweis auf Interessenskollision:
Der Vorstandsvorsitzende und Mehrheitsinhaber der Herausgeberin Börsenmedien AG, Herr Bernd Förtsch, ist unmittelbar und mittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate eingegangen, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren: Bitcoin.
Autor Nikolas Kessler ist unmittelbar und mittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate eingegangen, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren: Bitcoin.
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