Der „wirtschaftskompetenteste Kanzlerkandidat aller Zeiten“, Olaf Scholz der Große, hält offenbar nichts von privatem Aktienbesitz, nichts von privater Altersvorsorge. Er, der sein Geld vorzugsweise auf dem Girokonto „anlegt“, bittet Menschen, die ihr hart erarbeitetes, versteuertes Geld am Aktienmarkt anlegen, immer stärker zur Kasse. Menschen, die anlegen, um dem Staat, vielmehr den nachkommenden Generationen, nicht auf der Tasche zu liegen. Wie sonst, wenn nicht mit Verachtung des Aktienbesitzes, ist zu erklären, dass Scholz das Einkommensteuergesetz ab 2021 dahingehend ändert, dass Verluste aus bestimmten Geschäften nur noch anteilig angerechnet werden können? Wie sonst ist zu erklären, dass die Regelung ausdrücklich Privatanleger trifft, die großen Marktteilnehmer aber, etwa Banken, schont?
Dass Scholz gerade die kleinen Marktteilnehmer schröpft, läuft sinnigen Forderungen zuwider. Etwa jener vom Deutschen Aktieninstitut (DAI), das die Politik dazu auffordert, Aktiensparen attraktiver zu machen. „Eine Rentenreform, die das Ansparen mit Aktien in der breiten Bevölkerung stärkt, wäre ein echter Fortschritt für die Rente“, sagt Christine Bortenlänger, geschäftsführende Vorständin des Verbands. Das DAI will nach britischem Vorbild Betriebsrenten stärken. Dort stieg die Zahl derjenigen, die über eine betriebliche Altersvorsorge eine Betriebsrente aufbauen, um zehn Millionen in nur drei Jahren.
Vielleicht aber verstehe ich nur die Formulierung „wirtschaftskompetentester Kanzlerkandidat“ in mehreren Hinsichten falsch. Erstens: Wer von sich selbst als Kandidat spricht, ist Kandidat und bleibt es. Angesichts der Umfragewerte für die SPD muss an Wunder glauben, wer an einen Wahlsieg der Sozialdemokraten glaubt. Zweitens: „Wirtschaftskompetenz“ ist von Scholz vielleicht anders gemeint als von mir angenommen. Mein Gedanke wäre: Ein Kanzler mit Wirtschaftskompetenz setzt sich in erster Linie für das Wohl der Bürger ein. Sein Motto sollte lauten, die Wirtschaft ist für die Menschen da, nicht umgekehrt. Bei Scholz scheint das anders. Die Kompetenz ist nur einseitig ausgeprägt, die Nähe zu Finanzinstituten groß. In Zusammenhang mit seiner Amtszeit als Bürgermeister von Hamburg sind bis heute viele Fragen rund um die Verstrickung der Privatbank M.M.Warburg in die Cum-Ex-Steuergeldaffäre unbeantwortet geblieben. Inzwischen befasst sich ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss mit dem Thema. Und bezogen auf die Rolle von Scholz im Zusammenhang mit dem Wirecard-Skandal und der Rolle der BaFin bringt FDP-Finanzpolitiker und Obmann im Wirecard-Untersuchungsausschuss, Florian Toncar, es mit Bezug auf das Leerverkaufsverbot auf den Punkt: „Aus meiner Sicht ist unvorstellbar, dass das Finanzministerium einen solch massiven, bis dato nie dagewesenen Eingriff in den Markt nicht vorher abgesegnet hat. Insofern ist der Fall Wirecard längst ein Fall Scholz.“
Den Satz möchte ich gern umformulieren in: „Aus meiner Sicht ist es unvorstellbar, dass der wirtschaftskompetenteste Kanzlerkandidat aller Zeiten, der unübertroffene Olaf Scholz, bester Freund der Steuerzahler, so vielen Fehleinschätzungen und -entscheidungen aufgesessen ist, ohne zu wissen, was er tut.“
Dieses Editorial ist in DER AKTIONÄR Nr. 51/2020 erschienen, welches Sie hier als PDF gesamt herunterladen können.