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26.09.2024 ‧ Leon Müller

Optimismus wagen: Nach Grünen-Rücktritt braucht es mehr als Neuwahlen

Deutschland droht die Erosion. Doch letztlich entscheiden wir über unseren Weg. Unsere Wahrnehmung der vielen Krisen und Katastrophen ist entscheidend. Ein Neustart jetzt kann viel Energie freisetzen.

Sind wir Opfer des eigenen Anspruchs und als solche gefangen in einer nicht endenden Abwärtsspirale? Diesen Eindruck kann man gewinnen. Aus vielen Menschen spricht immer häufiger Furcht. Mitunter Frust. Menschen, die resignieren, geben auf. Ricarda Lang und Omid Nouripour haben das getan. Sie haben ihren Rücktritt als Co-Chefs der Grünen verkündet.

Ist ihr Schritt der Anfang vom Ende der Regierung Olaf Scholz? Kommen jetzt Neuwahlen? Ich fürchte: nein. Dabei wäre es konsequent, es wäre wichtig und es wäre richtig. Die Grünen verlieren Landtagswahl um Landtagswahl. Die FDP sich selbst. Und auch die SPD wirkt entfernt. Doch darum geht es nicht. Das sind Parteien. Die können sich auflösen oder entwickeln, wie sie wollen, missverstehen Sie mich nicht. Es geht darum, dass der größte Verlierer das Land als solches ist. Es sind die Bürgerinnen und Bürger. Sie.

Und weil das so ist, bedarf es jetzt eines Neustarts. Es geht nicht darum, dass die Ampel-Koalition keinen Zuspruch erhält. Auch nicht darum, dass sich die CDU/CSU auf der „richtigen“ Seite wähnt, nämlich derjenigen der potenziellen Sieger. Wir brauchen einen Reset. Auch politisch. Aber nicht nur.

Wer hofft, allein Neuwahlen würden alle Probleme beseitigen, ist gutgläubig, um nicht zu sagen naiv. Aber Neuwahlen sind unabdingbar, um einen neuen Zeitgeist zu wecken. Die Politik kann und sollte nicht mehr als den Impuls geben, dass sich in Deutschland wieder etwas dreht. Und zwar die Spirale aufwärts statt immer weiter abwärts.

Deutschland ist die größte Volkswirtschaft in Europa. Und sollte diese Rolle endlich (wieder) leben.

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G. Brown, M. El-Erian, M. Spence - Permacrisis, 368 Seiten, 29,90€ - Drei der international angesehensten Denker widmen sich den zentralen Problemen unserer Zeit: stotterndes Wachstum, steigende Inflation, Klimakrise, zunehmende Ungleichheit, wachsender Nationalismus … Sie zeigen Ansätze auf, um die Zukunft besser zu gestalten – zum Nutzen der vielen und nicht nur der wenigen.

Dazu gehört ein klares Bekenntnis zur Wirtschaft. Nur wenn diese stark ist, wahren wir die Möglichkeiten, die sich uns sonst immer seltener bieten. Ein Bekenntnis zur Wirtschaft bedeutet auch: Wir stehen zu unserer Automobilindustrie. Und ebenso zu erneuerbaren Energien. Das ist kein Widerspruch. Wir bekennen uns auch zur Chemieindustrie, zur Lebensmittelherstellung wie zur Rüstung. Wir müssen die Welt – unsere kleine Welt – endlich wieder nüchterner und zugleich positiver betrachten. Wir müssen die Wirtschaft wieder mehr Wirtschaft sein lassen und Anreize schaffen, privates Kapital wieder verstärkt einzusetzen. Die Wirtschaft selbst muss in Gestalt ihrer Vertreter endlich mehr Eigeninitiative wagen.

Ebenso wie die Menschen hierzulande. Zum neuen Zeitgeist muss auch gehören: das Bekenntnis zur Eigenverantwortung des Einzelnen. Auf der anderen Seite: das Bekenntnis des Staates, ihm zugewiesene Aufgaben wie Bildung und Sicherheit bestmöglich zu erfüllen. Bedeutet: besser als heute. Bedeutet auch: sich als Staat dort rauszuhalten, wo Menschen es selbst richten müssen. Zutrauen ist das Stichwort. Mündigkeit ein weiteres. Nur wer Menschen etwas zutraut, darf erwarten, dass sie es auch hinbekommen.

Weil Deutsche als perfektionistisch und detailversessen gelten, wird berechtigte Kritik als Nörgeln wahrgenommen. Dabei ist das häufig nur Ausdruck ihres hohen Anspruchs. Die Medien tragen mit ihrer Schwarzmalerei häufig dazu bei, dass Negatives sich festsetzt. Das Phänomen der selektiven Wahrnehmung führt dann dazu, dass wir dazu neigen, nur Informationen wahrzunehmen, die zu unserer aktuell negativen Haltung passen.

Neuwahlen und ein starkes Bekenntnis zur Wirtschaft würden helfen, diesen Kreis endlich zu durchbrechen. Vieles spielt sich im Kopf ab. Das Gute daran: Wir entscheiden, was wir denken.

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Foto: Börsenmedien AG

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