Bei Wirecard läuft der Investorenprozess an. Darüber hat Insolvenzverwalter Michael Jaffé am Dienstag informiert. Seinen Angaben zufolge gebe es „bereits mehr als 100 Interessenten“ für das Kerngeschäft und die Beteiligungen des insolventen Zahlungsabwicklers.
Am weitesten Fortgeschritten seien demnach die Aktivitäten rund um die US-amerikanische Gesellschaft Wirecard North America. Diese hatte sich in der Vorwoche selbst zum Verkauf gestellt (DER AKTIONÄR berichtete) und zwischenzeitlich die Investmentbank Moelis & Company mandatiert.
Auch für weitere internationale Beteiligungen und das Kerngeschäft, das Acquiring und Issuing, würden nun Investorenprozesse eingeleitet, heißt es in der Pressemitteilung weiter. „Die potenziellen Investoren können sich nach Unterzeichnung einer Vertraulichkeitserklärung in Kürze in neu eingerichteten, virtuellen Datenräumen informieren und mit der Due-Diligence-Prüfung beginnen.“ Ziel sei es, zeitnahe Investorenlösungen im Interesse der Gläubiger, Arbeitnehmer und Kunden zu finden.
Was sind die Einzelteile wert?
Ob dies gelingt, steht nach Einschätzung des AKTIONÄR aber dennoch in den Sternen. Denn spätestens seit einem Bericht der Financial Times (FT) am Sonntag ist fraglich, wie werthaltig die Unternehmensteile von Wirecard überhaupt sind. Der Zahlungsabwickler hatte Mitte Juni einräumen müssen, dass auf Treuhandkonten geführte Gelder für das sogenannte Drittpartnergeschäft in Höhe von 1,9 Milliarden Euro wahrscheinlich nie existiert haben und daraufhin Insolvenz beantragt.
Laut dem Bericht der FT soll Wirecard aber auch im Kerngeschäft seit Jahren Verluste eingefahren haben, die offenbar mit den mutmaßlichen Luftbuchungen in Asien kaschiert werden sollten.
Deutsche-Bank-Chef: „Hohe Hürde“
Zu den potenziellen Interessenten zählt laut Medienberichten auch die Deutsche Bank. Zwischenzeitlich hat sich auch deren CEO, Christian Sewing, dazu geäußert und die Erwartungen gedämpft.
Natürlich sei Zahlungstechnologie interessant für die Deutsche Bank als eine der führenden Banken im Zahlungsverkehr weltweit, sagte Sewing am Dienstag in einer Videokonferenz. „Wenn es dann eine potenzielle Gelegenheit gibt, sich mit Technologie zu befassen, bewerten wir das natürlich.“
Sewing betonte jedoch, Zukäufe müssten stets Wert für die Aktionäre schaffen. Vor allem aber müssten die neuen Teile besser sein als das eigene Angebot. „Das ist eine hohe Hürde."
Nachdem die Wirecard-Aktie am Dienstag über weite Strecken zweistellig im Minus notierte, verhilft ihr die Aussicht auf den startenden Verkaufsprozess am Nachmittag zu einem deutlichen Plus von über zehn Prozent. Längerfristig orientiere Anleger sollten die Aktie aber weiterhin meiden.
Mit Material von dpa-AFX.