Der Bilanzskandal bei Wirecard ist eine Mammutaufgabe für Ermittler und Justiz. Die Staatsanwaltschaft geht inzwischen von gewerbsmäßigem Bandenbetrug durch Top-Manager des Zahlungsabwicklers aus – jahrelang und milliardenschwer. Die Verfahren gegen zwei Journalisten der Financial Times wurden dagegen jetzt eingestellt.
Die Staatsanwaltschaft München I teilte am Donnerstag mit, die Berichterstattung der beiden sei grundsätzlich zutreffend und „jedenfalls vom Standpunkt der damaligen Informationslage aus weder falsch noch irreführend“ gewesen.
Die britische Zeitung hatte seit 2015 regelmäßig über Unstimmigkeiten in den Bilanzen des Zahldienstleisters berichtet und so den Stein ins Rollen gebracht. Wegen der Artikel stürzte der Kurs der Wirecard-Aktie ab und verlor in wenigen Tagen fast die Hälfte des Wertes. Auf Betreiben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ermittelte die Staatsanwaltschaft gegen die Journalisten. Der Verdacht lautete, die Reporter könnten mit Börsenspekulanten gemeinsame Sache machen, um den Aktienkurs unter Druck zu bringen.
Ermittlungen gegen Shortseller dauern an
„Anhaltspunkte, dass die Beschuldigten selbst bewusst Inhalt und Zeitpunkt ihrer Berichte Dritten bekannt gegeben hätten und damit Insiderinformationen weitergegeben haben, ergaben sich nicht“, hieß es von der Staatsanwaltschaft am Donnerstag weiter. Allerdings werde gegen mögliche Shortseller weiter ermittelt.
Darunter sind ebenjene Börsenspekulanten zu verstehen, die womöglich vor dem Erscheinen der Artikel auf zu erwartende Kursverluste wetteten, um so Geld zu verdienen. Denn die Ermittlungen, so die Staatsanwaltschaft, deuteten darauf hin, dass vielleicht bislang Unbekannte vom Erscheinen der Berichte wussten.
Neben ehemaligen Wirecard-Managern, die sich teilweise in Untersuchungshaft oder auf der Flucht befinden, rückt bei der Aufklärung des Skandals unter anderem auch die BaFin selbst in den Fokus. Der Behörde steht wegen zu laxer Kontrolle in der Kritik. Zudem sollen auch Mitarbeiter, die am umstrittenen Leerverkaufsverbot mitgewirkt haben, bis kurz vor der Insolvenz mit Wirecard-Aktien gehandelt haben (DER AKTIONÄR berichtete).
Die Wirecard-Aktie hat in dieser Woche derweil enorme Schwankungen an den Tag gelegt. Die Kursentwicklung ist dabei weitgehend abgekoppelt von der Nachrichtenlage und dürfte in erster Linie durch kurzfristige Spekulanten beeinflusst sein. Auf lange Sicht ist mit der Pleite-Aktie nach Einschätzung des AKTIONÄR aber kein Blumentopf mehr zu gewinnen.
Mit Material von dpa-AFX.