Wirecard-Chef Markus Braun zieht die Konsequenzen aus dem sich zuspitzenden Bilanz-Skandal und tritt mit sofortiger Wirkung als Vorstand zurück. Das teilte das Unternehmen am Mittag per Ad-Hoc-Meldung mit. Inzwischen hat sich der Manager auch selbst geäußert.
Wirecard habe ein exzellentes Geschäftsmodell, herausragende Technologie und ausreichende Ressourcen für eine große Zukunft, schrieb Braun am Freitag in einer auf Englisch verfassten persönlichen Erklärung an Mitarbeiter und Aktionäre. „Ich will diese Zukunft nicht belasten.“ Er verlasse den Konzern daher aus eigenem Antrieb.
Er habe den Vorsitzenden des Aufsichtsrats am Vormittag über seine Entscheidung informiert. „Mit meiner Entscheidung respektiere ich die Tatsache, dass die Verantwortung für alle geschäftlichen Transaktionen beim Vorstandschef liegt.“
Wirecard sieht sich seit rund eineinhalb Jahren mit Bilanz-Zweifeln konfrontiert und konnte diese auch mit einer eigens in Auftrag gegebenen Sonderprüfung durch KPMG nicht gänzlich entkräften. Seitdem forderten einige Großaktionäre bereits Brauns Rücktritt.
Am gestrigen Donnerstag dann der nächste Schlag: Wegen Zweifel an der Existenz von 1,9 Milliarden Euro, die auf Treuhandkonten in Asien verbucht worden sein sollen, haben die Wirtschaftsprüfer von EY zunächst das Testat für die mehrfach verschobene Jahresbilanz 2019 verweigert. Seitdem mehren sich die Hinweise auf einen riesigen Betrugsfall.
Stühlerücken im Vorstand
Der Wirecard-Aufsichtsrat hat mit sofortiger Wirkung den gestern zum Mitglied des Vorstands bestellten James Freis zum Interims-CEO mit Einzelvertretungsberechtigung berufen, heißt es in der Unternehmensmitteilung weiter.
Bereits am Donnerstag war Vorstandsmitglied Jan Marsalek mit sofortiger Wirkung widerruflich von seinem Amt freigestellt worden (DER AKTIONÄR berichtete).
Die Wirecard-Aktie reagiert leicht positiv auf die Personalentscheidung und kann ihren Tagesverlust am Mittag auf rund 28 Prozent reduzieren. Am katastrophalen Chartbild ändert das freilich nichts. Solange die Frage nach dem Verbleib der 1,9 Milliarden Euro nicht geklärt ist, scheint eine nachhaltige Erholung kaum möglich.
Mit Material von dpa-AFX.