Im Bilanzskandal bei Wirecard steht auch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY am Pranger. Das Unternehmen hatte zehn Jahre lang die Jahresabschlüsse testiert – ohne den mutmaßlichen Milliardenbetrug zu bemerken. Das könnte nun Konsequenzen haben.
Die SPD-Finanzpolitikerin Cansel Kiziltepe schrieb am Mittwoch bei Twitter, so lange unklar sei, wieso die Wirtschaftsprüfung von EY bei Wirecard so versagt habe, „sollten wir überlegen, ob dieses Unternehmen noch öffentliche Aufträge bekommen darf“.
Solange unklar ist wieso #Wirtschaftsprüfung von Ernst&Young bei #Wirecard so versagt hat, sollten wir überlegen, ob dieses Unternehmen noch öffentliche Aufträge bekommen darf. https://t.co/ZVOklygrdX
— Cansel Kiziltepe (@CanselK) July 29, 2020
Hintergrund war ein Bericht des Handelsblatts, wonach EY weiter für Konzerne mit Bundesbeteiligung arbeite. Ein neuer Auftrag könnte von der Telekom kommen. EY steht in der Kritik, weil das Unternehmen die Jahresbilanzen bei Wirecard seit 2009 geprüft und testiert hatte. Die Münchner Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Scheinumsätze bereits seit Jahren in die Bilanzen einflossen.
Der inzwischen insolvente Zahlungsdienstleister Wirecard hatte im Juni Luftbuchungen von 1,9 Milliarden Euro eingeräumt. Die Münchner Staatsanwaltschaft geht mittlerweile von „gewerbsmäßigem Bandenbetrug“ aus, und zwar seit 2015. Mehr als drei Milliarden Euro könnten verloren sein.
Finanzminister Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) stellen sich am Mittwoch im Finanzausschuss Fragen der Abgeordneten. Scholz hatte als Konsequenz aus dem Skandal einen Aktionsplan vorgelegt. Dieser sieht auch vor, dass ein Prüfunternehmen künftig maximal zehn Jahre lang für eine Firma zuständig sein darf - dann ist eine Rotation fällig. Politiker der Regierungsfraktionen wollen aber eine kürzere Rotationszeit (DER AKTIONÄR berichtete).
EY im Visier der Kläger
Zudem könnte auf EY eine Klagewelle von geschädigten Anlegern zukommen, denn bei Wirecard selbst dürfte angesichts der Insolvenz und der hohen Schulden nicht mehr viel zu holen sein. Mehrere Kanzleien planen bereits Musterverfahren gegen die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Mehr Infos dazu und was geschädigte Anleger tun können, lesen Sie im kostenlosen AKTIONÄR-Ratgeber – hier abrufbar.
Mit Material von dpa-AFX.