Seit dem Einstieg der UniCredit bei der Commerzbank Mitte September letzten Jahres schien eine Übernahme nur eine Frage der Zeit. Zuletzt schob UniCredit-CEO Andrea Orcel die Frage nach einem Übernahmeangebot jedoch immer weiter auf die lange Bank.
Ob es am Ende überraschend kam oder nicht: Seitdem die UniCredit im September letzten Jahres bei der Commerzbank einstieg, erhöhte sie sukzessive ihren Einfluss, vor allem über Derivate. Beauftragte Finanzinstitute kauften seitdem im Hintergrund in großem Stil Aktien der Commerzbank. Unklar ist, ob diese im Zusammenhang mit den Derivatgeschäften stehen oder für deren Wandlung angeschafft wurden.
Doch trotz der Genehmigung der EZB, dass die UniCredit ihren Anteil in Aktien auf 29,99 Prozent aufstocken kann, die letzte Woche erteilt wurde, tritt Orcel nun auf die Bremse. Bei einer Investorenkonferenz von Morgan Stanley in London sagte er gestern, dass sich seit vergangenem Jahr die Bedingungen für Bankfusionen in Europa verschlechtert hätten, wie Bloomberg berichtet. Neben der Commerzbank hat man auch ein Auge auf die italienische Konkurrentin Banco BPM geworfen. Dort wurde bereits ein offizielles Übernahmeangebot unterbreitet.
Explizit nannte Orcel als Begründung gestiegene Aktienkurse in der Branche und die positivere Stimmung. Für den Käufer herrsche zudem hohe Unsicherheit, da sich Übernahmen aufgrund der Komplexität oft monatelang hinzögen. Bei größeren Übernahmen in Deutschland, Italien und Spanien gebe es derzeit „Störgeräusche“.
Bezogen auf die Commerzbank hatte man erwartet, dass man nur eine Genehmigung auf europäischer Ebene brauche, nun verzögere die Prüfung des Bundeskartellamtes den Prozess um Monate. Erneut bekräftigte Orcel, mit der neuen Bundesregierung sprechen zu wollen. Da sich der Marktwert der Commerzbank seit dem Einstieg im September rund verdoppelt habe, sei eine Übernahme nun „eine andere Transaktion“.
Orcel will mehr Gewissheit, dass die jüngste Rallye der Commerzbank-Aktie fundamental gerechtfertigt ist und die Bank 2027 ihr Ziel einer Eigenkapitalrendite von 13,6 Prozent erreichen kann. Daher könnte er bis in zwei Jahren warten und dann über eine strategische Transaktion wie eine Übernahme entscheiden.
Die Aussagen von Orcel haben die Aktie gestern um mehr als drei Prozent nach unten gedrückt. Aus verschiedenen Gründen könnte die Übernahme nun auf die lange Bank geschoben werden – natürlich ist auch ein Scheitern möglich. Allerdings könnte Orcel auch taktieren und mit seinen Aussagen gezielt den Kurs schwächen, um dann wieder günstiger zum Zug zu kommen.
Auch ohne Übernahme würde die Commerzbank mittlerweile gut dastehen, neuen Schwung könnte über die kommenden Jahre ein Anspringen des Wachstums in Deutschland liefern. Investierte bleiben dabei und ziehen den Stopp auf 18,50 Euro nach.
Hinweis auf Interessenkonflikte
Der Vorstand und Mehrheitsinhaber der Herausgeberin Börsenmedien AG, Herr Bernd Förtsch, ist unmittelbar und mittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate eingegangen, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren können: Commerzbank.