Die sozialen und politischen Unruhen in Hongkong haben auf den dortigen Finanzsektor einen zunehmend negativen Einfluss. Diverse IPOs von chinesischen Unternehmen könnten platzen. Auch Alibaba legt seine Pläne für einen Börsengang offenbar zumindest auf Eis. DER AKTIONÄR verrät, was das für Anleger bedeutet.
Bislang werden Alibaba-Anteile in New York gehandelt. Bereits seit Monaten ist es ein offenes Geheimnis, dass der chinesische E-Commerce-Riese ein Zweitlisting an der Hongkonger Börse plant. In diesem Zusammenhang ist auch ein Aktiensplit angedacht (siehe Artikelliste).
Die seit Monaten immer wieder aufflammenden Proteste in Hongkong und zunehmender Druck aus China führen aber dazu, dass Alibaba seinen Börsengang wohl nicht mehr für die kommenden Wochen anstrebt. Das meldete unter anderem die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf Insider.
Wie gewohnt äußerte sich Alibaba nicht offiziell zu entsprechenden Berichten.
Gründe für die Verschiebung sollen die allgemeinen Marktturbulenzen sowie die sozialen und politischen Unsicherheiten in Hongkong sein.
Der Hintergrund
In der chinesischen Sonderverwaltungszone gibt es Massendemonstrationen für mehr Demokratie und Unabhängigkeit. Die chinesische Politik hatte darauf in den vergangenen Tagen zunehmend gereizt reagiert.
Alibaba verschiebt den Börsengang wohl auch, um es sich nicht mit der chinesischen Führung zu verscherzen. „Es würde Peking sicher verärgern, Hongkong angesichts der Vorgänge in der Stadt ein solch großzügiges Geschenk anzubieten“, wurde ein Insider zitiert.
Hongkong hatte extra Regeln gelockert, um mehr chinesische Unternehmen an den eigenen Aktienmarkt zu locken. Alibabas IPO-Pläne waren auch so interpretiert worden, dass das Unternehmen in Zeiten des Handelskonflikts zwischen China und den USA näher an die Heimat rücke. Angesichts des derzeitigen Konflikts mit den Bewohnern Hongkongs liegt es aber nicht im Interesse Chinas, die Finanzmetropole zu stärken. Mit Shenzhen stampft China zudem gerade einen alternativen Handelsort aus dem Boden.
Die in Singapur ansässige „The Strait Times“ schrieb, dass auch andere China-IPOs in Hongkong auf der Kippe stehen.
Der US-Bierbrauer Anheuser-Busch hatte den Börsengang seines Asiengeschäfts bereits Mitte Juli abgesagt. Die Proteste spielten dabei aber keine Rolle. Die Nachfrage war im Vorfeld einfach zu gering.
Alibabas mutmaßliche Verschiebung zeigt die Abhängigkeit von der chinesischen Politik. Überraschend ist das nicht. Aber auch die Stimmung an den Börsen könnte besser sein. Ob der Börsengang nun nur verschoben wurde oder in Hongkong gar nicht stattfindet, ist für das Unternehmen und Anleger nicht so wichtig. Das IPO hätte vermutlich bis zu 20 Milliarden Dollar in Alibabas Kassen gespült. Geld, das Alibaba nicht unbedingt benötigt. Die Geschäfte laufen stark. Unter anderem hat das Unternehmen jüngst verkündet, in den kommenden zwei Jahren eigene Aktien für sechs Milliarden zurückzukaufen. Diese Summe entspricht nicht mal zwei Prozent der derzeitigen Marktkapitalisierung des Unternehmens. Es eilt also nicht mit einem Zweitlisting.
Der Autor hält unmittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate, die durch die durch die Publikation etwaig resultierende Kursentwicklung profitieren: Alibaba.