Vier Monate nachdem der (vielleicht auch juristische) Betrug von Volkswagen bei Diesel-Abgaswerten öffentlich wahrgenommen wird, hat der neue Vorstandsvorsitzende Matthias Müller nicht einmal grundsätzliche Fragen beantwortet. Günther Grassmann macht dafür einen Schuldigen aus: Prof. Dr. Ferdinand Piëch.
In den Jahren 1993 bis 2002 war der als herrisch geltende und Fehlschläge nirgends dulden wollende Prof. Dr. Ferdinand Piëch Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG und gleich anschließend bis zum 25. April 2015 kontrollierte er als Aufsichtsratsvorsitzender den reibungslosen und ungestörten Fortgang seiner Entscheidungen. Heute ist der Österreicher Aufsichtsrat der Porsche Automobil Holding SE, welche 50,7 Prozent der Volkswagen AG kontrolliert. Zudem ist er Großaktionär der stimmberechtigten Stammaktien dieser Beteiligungsgesellschaft.
Prof. Dr. Piëch sei jedoch noch etwas: Schuld (wenn vielleicht auch nicht im juristischen Sinn) am Betrug an den Kunden, den Steuerbehörden und der Umwelt durch den Betrug bei den Abgaswerten der Volkswagen-Dieselautos.
"Piëch ist der Schuldige"
Zumindest läuft es darauf hinaus, was Günther Grassmann, Gesellschafter der Initio Organisationsberatung hc house of competence GmbH, im Interview mit dem Handelsblatt auf die Frage geantwortet hat, ob der "Kulturwandel" bei Volkswagen gelungen ist: "Nach seinem (Matthias Müllers) Interview in den USA muss man Zweifel haben. Ich glaube, VW ist sehr stark geprägt vom System Piëch. Der hat das Unternehmen 20 Jahre lang geprägt, das umzudrehen dauert mindestens fünf Jahre. Ob Herr Müller dazu die Chance bekommt? Da braucht er gute Mitstreiter. Ich traue Herrn Müller mittelfristig einen Kulturwandel zu – aber ich fürchte, er bekommt die Zeit nicht dafür. Das ist schon eine Herkulesaufgabe."
Ist der Ruf erst ruiniert,…
Das Ergebnis des "System Piëch" ist: Bislang hat der Vorstand noch nicht einmal grundlegende Fragen beantwortet: Wer war im Vorstand für die Beauftragung oder wenigstens die Kontrolle der Abteilung zuständig, welche die Betrugssoftware entwickelt und in die Fahrzeuge eingebaut hat, um die Vorgaben der Umweltbehörden wenigstens theoretisch zu erfüllen? Medienberichten zufolge soll ein "VW-Kronzeuge", der selbst an diesem Betrug beteiligt gewesen ist, der Staatsanwaltschaft Braunschweig gesagt haben, intern sei das vielen Führungskräften bekannt gewesen. Dieser Mittäter habe zudem Heinz Jakob Neusser, dem späteren Vorsitzenden des Markenvorstands Volkswagen Pkw, von diesen seit dem Jahr 2006 laufenden Machenschaften berichtet. Neusser habe nichts getan. Der jetzige Vorstand sagt: "Reine Spekulation." Damit schädigt er den Ruf des Konzerns weiter, was den Aktienkurs weiter belasten kann.
Wer unbedingt kaufen möchte, bitte
DER AKTIONÄR bleibt dabei: Daimler ist der Favorit unter den Automobil-Konzernen. Wer unbedingt bei Volkswagen einsteigen möchte, kann das nun aber wohl mit einem Anlage-Horizont von einem bis zwei Jahren tun.