Die EU kann gegen den Widerstand Deutschlands Zusatzzölle auf Elektroautos aus China erheben. Es hat sich keine ausreichende Mehrheit der EU-Staaten gegen das Vorhaben ausgesprochen, wie mehrere EU-Diplomaten der Deutschen Presse-Agentur bestätigten. Es gab allerdings auch kein klares Votum für die Zölle. Damit kann die EU-Kommission entscheiden, die Abgaben in Höhe von bis zu 35,3 Prozent einzuführen.
Erste Reaktion: Für Volkswagen, den Sportwagenbauer Porsche AG sowie BMW und Mercedes-Benz stand nach den jüngsten Kursverlusten eine Erholung um bis zu 1,3 Prozent zu Buche. Auch der europäische Branchenindex für Autowerte stabilisierte sich um 0,8 Prozent, nachdem er am Vortag auf den tiefsten Stand seit gut elf Monaten abgerutscht war.
Deutschland konnte sich nicht mit seiner Position durchsetzen. Das bevölkerungsreichste EU-Land stimmte in Brüssel zwar gegen die Zölle. Um diese verhindern zu können, hätte sich aber eine Mehrheit der EU-Staaten gegen das Vorhaben aussprechen müssen, die zusammen mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU ausmachen.
Nach Angaben aus Diplomatenkreisen stimmten am Ende zehn EU-Staaten für die Maßnahme und zwölf enthielten sich. Lediglich fünf sprachen sich demnach offen gegen die Zölle aus. Dabei repräsentieren die Gegner der Abgaben den Angaben zufolge gut 20 Prozent der EU-Bevölkerung.
Auch die Bundesregierung war in dem EU-Zollstreit zunächst uneins, bis Kanzler Olaf Scholz (SPD) kurz vor der Abstimmung eine Entscheidung herbeigeführt und sich für ein Nein Deutschlands ausgesprochen hatte.
Die Europäische Kommission hatte die zusätzlichen Zölle angekündigt, nachdem eine Untersuchung zu dem Ergebnis gekommen war, dass Peking E-Autos mit Subventionen fördere, die den Markt in der EU verzerrten. Ob die Einfuhrzölle Anfang November in Kraft treten werden, liegt in der Hand der Kommission. Wenn aber noch rechtzeitig eine Lösung mit China am Verhandlungstisch erreicht wird, können die Zölle gestoppt werden.
Auch wenn sich die Aktien der deutschen Auto-Hersteller aufgrund der Zölle leicht erholen können.
Die Chefs der deutschen Automobil-Hersteller haben sich zu dem Thema bereits im Vorfeld klar positioniert und sich gegen Zölle ausgesprochen, da sie eine Gegenreaktion Chinas befürchten. Bereits im Vorfeld gab es immer wieder Diskussionen um mögliche Zölle der chinesischen Regierung auf Autos mit Verbrennungsmotor.
Auch Kevin Thozet, Mitglied des Investment-Komitees beim Vermögensverwalter Carmignac, verwies auf mögliche Vergeltungsmaßnahmen. "Deutsche Hersteller verkaufen einen großen Teil ihrer Autos in der Volksrepublik. Außerdem müssten auch deutsche Hersteller, die in China für den Export produzieren, diese Strafzölle zahlen", so Thozet.
Thozet appelliert an einen Kompromiss mit der Einführung von Zöllen in einer niedrigeren als der zuvor angedachten Spanne. Dieser könne eine kurzfristige Erleichterung für einen Sektor bedeuten, der eine Reihe schlechter Nachrichten erlebt habe und dessen Erwartungen weitgehend zurückgeschraubt worden sind. Eine Reihe von Gewinnwarnungen, die von BMW, Mercedes-Benz über Volkswagen bis hin zur Opel-Mutter Stellantis reichte, hatte zuletzt ihre Spuren hinterlassen.
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) mahnt nach der EU-Abstimmung für mögliche Zölle auf Elektroautos aus China weitere Bemühungen für eine Lösung an. "Der Beschluss zu den Ausgleichszöllen im Markt für Elektroautos darf auf keinen Fall das Ende der Gespräche bedeuten", betonte BDI-Hauptgeschäftsführerin Tanja Gönner. "Die deutsche Industrie fordert beide Seiten dazu auf, die Verhandlungen weiterzuführen und einen eskalierenden Handelskonflikt zu verhindern."
(Mit Material von dpa-AFX)