Einige wenige sind es, die die Interessen von Privatanlegern mit Füßen treten können, gern und ausgiebig, weil der Gesetzgeber ihnen die Möglichkeit lässt, die Gerichte es durchwinken. Ein sehr aktuelles Beispiel macht dies deutlich – und mich zornig.
Die Rede ist von Varta, ist vom StaRUG. Was hier unter dem Deckmantel des Schutzes von Unternehmen passiert, ist in meinen Augen wirklich empörend. StaRUG steht für Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz. Es sollte ursprünglich dazu dienen, Unternehmen vor der Insolvenz zu retten. Erdacht wurde es vor dem Hintergrund der Coronakrise, eingeführt am 1. Januar 2021. Heute aber wird es gerade dafür genutzt – man könnte auch sagen missbraucht –, Kleinaktionäre aus einer Gesellschaft hinauszudrängen, indem man sie enteignet. Und zwar kalt. Um nicht zu sagen: eiskalt.
Ein Unternehmen, das ein Sanierungsverfahren nach dem StaRUG durchläuft, kann die bisherigen Eigentümer enteignen. Nicht alle, aber die kleinen. Voraussetzung dafür ist, dass drei von vier im Laufe des Verfahrens benannten Gruppen (etwa Absonderungsanwartschaftsinhaber, nachrangige Forderungsinhaber et cetera) der Durchführung des Verfahrens zustimmen. Anschließend gehen Privatanleger beim Kapitalschnitt auf null leer aus. Eine Entschädigung, wie sonst üblich bei Enteignungen, erhalten sie nicht. Für mich ist das StaRUG in seiner heutigen Fassung daher vor allem ein Instrument zur Enteignung von Aktionären und keines zur Rettung von Unternehmen. Es sendet ein katastrophales Signal an die zuletzt zwar wieder größer gewordene, gleichwohl aber unverändert empfindliche Aktionärsschar in Deutschland.
Manko: Das Gesetz regelt eines nicht zureichend, nämlich den Ausschluss des Bezugsrechts von Bestandsaktionären bei der dem Kapitalschnitt folgenden Kapitalerhöhung. Es sieht diesen weder vor, noch erlaubt es diesen ausdrücklich. Unternehmen, die ein Verfahren nach dem StaRUG durchlaufen, wie der Automobilzulieferer Leoni und jetzt der Batteriehersteller Varta, nutzen diesen Umstand aber dankend aus. (Unliebsame) Kleinaktionäre werden so aus dem Unternehmen gedrängt. Und wenige Großaktionäre, bei Varta der bisherige österreichische Mehrheitsaktionär Michael Tojner, bei Leoni der ebenfalls aus Österreich stammende Unternehmer Stefan Pierer, sichern sich die Firmen für einen Appel und ein Ei. Das sind im Falle von Varta gerade einmal 30 Millionen Euro – für 50 Prozent der Anteile. Das ist empörend, weil Tojner Varta vor 17 Jahren für 30 Millionen Euro von der Deutschen Bank und der Familie Quandt gekauft hat. Empörend, weil er seitdem mehrere Hundert Millionen Euro durch Anteilsverkäufe und Dividendenzahlungen wieder rausgeholt hat. Empörend aber vor allem, weil Kleinanleger – sie halten neben Tojner die anderen 50 Prozent (!) an Varta – jetzt nicht mehr die Chance dazu haben. Ihr Totalverlust ist mit Anwendung des StaRUG in Stein gemeißelt.
Anders gesagt: Während die einen, nämlich die Kleinaktionäre, alles verlieren, bieten sich einigen wenigen neue Chancen. Das ist zutiefst ungerecht.
Ich fordere den Gesetzgeber daher auf, dringend das StaRUG neu zu fassen. Privatanleger beziehungsweise ihr Kapital sind zu schützen. Die Lücke, die das StaRUG in Sachen Ausschluss der Bezugsrechte von Bestandsaktionären lässt, muss geschlossen werden. Auch Kleinaktionäre müssen die Chance wahren, von einer Sanierung eines Unternehmens zu profitieren. Andernfalls droht uns eine Welle von Privatisierungen mittels StaRUG – zum Vorteil weniger, zum Nachteil vieler. Daran kann diese Regierung angesichts ihrer Zusammensetzung kein Interesse haben.
Dieses Editorial ist in DER AKTIONÄR Nr. 35/2024 erschienen, welches Sie hier als PDF gesamt herunterladen können.