Zoom will eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung von Videokonferenzen umsetzen – aber nicht für jeden. Privatpersonen, die den kostenlosen Service der App nutzen, sollen die sichere Verschlüsselungsmethode nicht bekommen. Das begründet das Unternehmen damit, dass im Notfall das Sammeln von Beweismitteln erschwert wird. Die Nachricht kam nachdem die Aktie am Mittwoch wegen Top-Zahlen den US-Handelstag mit 7,59 Prozent im Plus beendet hat.
Im Meeting mit Investoren nach den Zahlen hat Zoom-Chef Eric Yuan klargemacht: „Wir denken, dass wir diesen Service anbieten müssen“, allerdings nur für professionelle Nutzer. Privatleute, die die App in der Coronakrise unter anderem für virtuelle Treffen, Vorlesungen oder Gottesdienste benutzen, sollten nicht in den Genuss der Absicherung kommen. Ausnahmen könnten jedoch gemacht werden, beispielsweise für NGOs.
Als Grund nennt Yuan die Zusammenarbeit mit dem FBI und den lokalen Sicherheitsbehörden, um via Zoom begangene Straftaten verfolgen zu können. Darunter fällt zum Beispiel das Live-Übertragen von Kindesmissbrauch – ein Umstand, der Zoom den Beinamen „Netflix für Kinderpornos“ eingebracht hat. Mit dem rasanten Anstieg der Konferenz-Teilnehmer (von zehn auf 300 Millionen in einem Quartal) während der globalen Corona-Lockdowns nahmen die strafbaren Delikte zu.
Das Unternehmen erklärt dazu, dass die bisherige Verschlüsselung für alle Nutzer bestehen bleibe und es „keine Hintertüren [gibt], durch die jeder an Meetings teilnehmen kann, ohne für andere sichtbar zu sein. Nichts von all dem wird sich ändern." Allerdings könne die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung nur für Benutzer zur Anwendung kommen, bei denen die Identität überprüfbar ist, um potenzielle Opfer zu schützen. Das wäre bei kostenlosen Benutzern nicht zweifelsfrei möglich, es werde aber eine Balance angestrebt. Bei dieser Entscheidung sei das Feedback von Experten für Kindersicherheit, Bürgerrechtsorganisationen, Verschlüsselungsexperten und Strafverfolgungsbehörden eingeflossen.
Eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung sorgt dafür, dass nur die Geräte der jeweiligen Gesprächsteilnehmer die Konferenzdaten entschlüsseln und verwenden können. Sicherheitsbehörden würden so im Zweifel der Zugriff auf Beweismittel erschwert. Um etwaige Strafverfolgungen aber weiter zu ermöglichen, müssten Privat-Konferenzen Stück weit unverschlüsselt bleiben. Ein massiver Dämpfer für Nutzer des kostenlosen Services, der weiteres Wachstum behindern könnte.
Der Originalbeitrag wurde um Statements von Zoom ergänzt.
Die sichere Verschlüsselung an den jeweiligen Endgeräten ist bei Videokonferenzdiensten generell noch kein Standard – gerade im Businessbereich könnte man sich dadurch auch nicht nachträglich in Konferenzen einwählen. Sollte Zoom seine Pläne umsetzen, dürfte die Branche gespannt hinschauen, wie und ob die Verschlüsselung genutzt wird.
Die Aktie von Zoom hat gestern ein neues Allzeithoch erreicht. Aktuell notiert das Papier bei 223,87 Dollar und ist damit extrem heiß gelaufen. Zwar wäre die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung von Videokonferenzen ein Meilenstein, aber die Einschränkungen dämpfen den Optimismus. Mit einem 2021er KGV von etwa 300 ist auch bereits viel Innovationsfantasie eingepreist. DER AKTIONÄR rät deswegen weiterhin nicht zum Kauf der extrem volatilen Zoom-Aktie.