Trotz einer extremen Inflationsrate von 19,6 Prozent hatte die türkische Zentralbank am Donnerstag ein weiteres Mal die Zinsen gesenkt. Am Devisenmarkt reagierte die Türkei-Währung lehrbuchmäßig: Die Türkische Lira sackte ab. Am Freitag hielt die Talfahrt noch an. Ein Devisenexperte befürchtet, dass sich die ökonomische Lage am Bosperus noch verschlimmert.
Am Tag nach der unerwartet starken Zinssenkung in der Türkei um 200 Basispunkte (DER AKTIONÄR berichtete) hat sich die Talfahrt der Landeswährung mit hohem Tempo fortgesetzt. Im Handel mit dem US-Dollar und mit dem Euro wurden am Freitag jeweils neue Rekordtiefstände erreicht. Für einen Dollar mussten zeitweise 9,66 Lira und für einen Euro 11,25 Lira gezahlt werden und damit so viel wie noch nie.
Umgekehrt kostete eine Lira erstmals weniger als 9 Euro-Cent bzw. 0,1035 Dollar – neue historische Tiefstände. Seit Beginn des Jahres beläuft sich der Wertverlust im Handel mit der europäischen Gemeinschaftswährung mittlerweile auf etwa 25 Prozent. Die Währung befindet sich jedoch bereits seit über zehn Jahren in einem Abwärtstrend, wie ein Blick auf den Langfrist-Chart beweist.
Immerhin: An der Borsa Istanbul stiegen zuletzt die meisten Aktienkurse. Der ISE National 100 Index verbesserte sich auf zuletzt 1.473 Punkte.
Zuletzt gab die Notenbank mit ihrer Zinssenkung offenbar dem Druck von Recep Tayyip Erdoğan nach. Entgegen ökonomischer Theorien und Tatsachen ist der türkische Staatspräsident der Überzeugung, dass niedrige Zinsen dem Land und der geschundenen Währung bei einer Inflationsrate von mehr als 19 Prozent aufwärts helfen.
Unter Ökonomen ist jedoch Konsens, dass eine Notenbank die Zinsen erhöht, wenn die Inflation hoch ist. Was nun passiert: Wegen der anhaltenden Talfahrt der türkischen Lira trennen sich immer mehr Anleger von Anleihen des Landes. Dies hat die Rendite der zehnjährigen Staatsanleihe auf 20,575 Prozent getrieben.
Der Wertverfall der Lira trifft dabei auch die türkische Bevölkerung, und zwar gleich mehrfach. Die Preise von Erdgas, Strom und Benzin sind an den Lira-Kurs gekoppelt. Mieten und Hypotheken werden in der Türkei jedoch häufig in Dollar, Euro oder Schweizer Franken vereinbart. Wenn die Lira einbricht, steigen daher auch sofort die Mietausgaben. Für Staat und Wirtschaft wird es außerdem schwieriger, die hohen Auslandsschulden zu bedienen.
Ulrich Leuchtmann, Leiter der Devisen-Analyse bei der Commerzbank, hält es für unwahrscheinlich, dass sich kurzfristig etwas an der Geldpolitik der Türkei ändert – "wenigstens so lange, wie die Lira-Abwertung nicht so apokalyptisch wird, dass sie ein Umdenken erzwingt", zitiert ihn das Handelsblatt. Seine Schlussfolgerung lautet: "Es ist anzunehmen, dass es erst noch viel schlimmer wird, bevor es besser wird.“
Russland hat die ökonomische Lehre offenbar verstanden. Die russische Notenbank hat am Freitag mit einer unerwartet starken Zinserhöhung auf die hohe Inflation im Land reagiert. Die Zentralbank hob den Leitzins um 0,75 Prozentpunkte auf 7,50 Prozent an, während Analysten nur einen kleinen Zinsschritt auf 7,00 Prozent erwartet hatten. Die Notenbank stellte zudem weitere Zinserhöhungen in Aussicht. Der russische Rubel ist daraufhin deutlich gestiegen. (Mit Material von dpa-AFX)
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