Bei VW scheint sich der aktuelle Streit zwischen Konzernführung und Betriebsrat um die zukünftige Besetzung von Managerposten zusehends zuzuspitzen. Bei der Feier zu 75 Jahren betrieblicher Mitbestimmung konnte das Auditorium den Machtkampf sogar live miterleben. Die Aktie leidet unter diesen atmosphärischen Störungen und ist zweitgrößter DAX-Verlierer.
Dabei hatte VW-Boss Herbert Diess, der an der Feierstunde nicht persönlich teilnahm, nur ein Grußwort via Internet geschickt. Diess mahnte, Effizienzsteigerungen seien notwendig und für den Fortbestand von Unternehmen nicht zu unterschätzen. "Hier haben wir bei Volkswagen noch Nachholbedarf." Das Land Niedersachsen, VW-Großaktionär, forderte er sogar unverhohlen dazu auf, den Konzernumbau nicht zu blockieren und wichtige Richtungsentscheidungen mitzutragen. Er wünsche "den Vertretern der Mitbestimmung eine glückliche Hand". Betriebsrats-Chef Bernd Osterloh sagte dazu: „Bei uns geht es immer um nachhaltige Konzepte gleichermaßen für Beschäftigungssicherung und Wirtschaftlichkeit."
Hintergrund ist, dass der Vorstandschef bei der Besetzung zweier Vorstandsposten Mitstreiter sucht, die seinen scharfen Umbaukurs und die Renditeziele mittragen. Doch kommt er nicht voran, weil der Betriebsrat Kandidaten bevorzuge, die besser in die Wolfsburger Konsenskultur passen. Und der VW-Betriebsrat ist durch das VW-Gesetz einen stärkeren Einfluss als Arbeitnehmervertretungen in anderen Konzernen. Offiziell betont Betriebsratschef Osterloh hingegen, es gebe keinen Streit
Zusätzliches Öl im Feuer ist Diess‘ Drängen auf eine (vorzeitige) Verlängerung seines Vertrags. Dieser läuft zwar noch bis April 2023. Doch aus Sicht des 62-Jährigen sollte am besten jetzt schon über eine Verlängerung entschieden werden. Damit will der VV-Chef wohl das formale Commitment des Kontrollgremiums für seine straffen Konzern-Umbaupläne einholen. VW hat sich hierzu bisher nicht geäußert.
Ein Machtwort der Eigentümer fordern hingegen die Investoren, die die Position von Diess gestärkt sehen wollen. Im zu Ende gehenden Jahr gibt es noch eine Aufsichtsratssitzung, bisher zu anderen Themen. Das dürfte so bleiben – es sei denn der Vorstandschef macht sich selbst zum Thema.
Dieser Streit kommt zu einem unglücklichen Zeitpunkt, da sich VW gerade im größten Umbruch der Unternehmenshistorie befindet. Aus Sicht des AKTIONÄR hat Konzern-Boss Herbert Diess, der konsequent auf Veränderung und damit auf den Schwenk in Richtung Elektromobilität setzt, genau den richtigen Weg eingeschlagen. Ein Zeichen seitens der Eigentümer für den "Diess-Kurs" wäre jetzt hilfreich. DER AKTIONÄR bleibt trotz der aktuellen Gemengelage weiterhin optimistisch für die Aktie. Investierte Anleger bleiben dabei. Das Kursziel lautet unverändert: 180,00 Euro.
Mit Material von dpa-AFX