Die Erholung bei ThyssenKrupp gerät weiter ins Stocken. Auch am Freitag führt die Aktie die Verliererlisten im MDAX wieder an. Die Zukunft der Stahlsparte wird derweil weiter heiß diskutiert. Zum zweiten Mal innerhalb von 14 Tagen ist die Krise des Konzerns Thema im nordrhein-westfälischen Landtag.
Das Parlament debattiert heute darüber, wie das Land dem angeschlagenen Unternehmen helfen kann. ThyssenKrupp hatte in der vergangenen Woche mitgeteilt, dass der Stellenabbau deutlich größer ausfallen soll als bisher geplant.
Statt 5.000 sollen in den nächsten drei Jahren 11.000 Arbeitsplätze gestrichen werden. Der Stellenabbau wird vor allem die deutschen Standorte treffen, wo 7.000 Jobs zur Disposition stehen oder bereits gestrichen wurden. Etwa jede zweite davon befindet sich nach Unternehmensangaben in Nordrhein-Westfalen. Betriebsbedingte Kündigungen, die bei Thyssenkrupp in Deutschland bisher vermieden wurden, sind nicht mehr ausgeschlossen. Für die Stahlsparte gilt allerdings eine Jobgarantie bis 2026.
Die Corona-Pandemie hat der schon vorher unter weltweiten Überkapazitäten leidenden Stahlsparte mit Werken in Duisburg, Bochum, Dortmund, Hohenlimburg und dem Siegerland schwer zugesetzt. Im Ende September ausgelaufenen Geschäftsjahr 2019/20 hat ThyssenKrupp mit der Stahlproduktion fast eine Milliarde Euro Verlust gemacht. Insgesamt lief im Konzern ein Minus von 1,6 Milliarden Euro auf.
Libert-Angebot weiter auf dem Tisch
Vorstandschefin Martina Merz lässt deshalb Kooperationen mit anderen Stahlherstellern in Europa ausloten und ein Übernahmeangebot des britischen Konzerns Liberty Steel für die Stahlsparte prüfen. Auch ein Alleingang beim Stahl ist weiterhin möglich. Eine Entscheidung, wie es mit dem Stahl von ThyssenKrupp weitergeht, soll im März kommenden Jahres fallen.
Zum Angebot von Liberty sind bisher keine Einzelheiten über Kaufpreis, Investitionen oder Konzepte bekannt. Die Arbeitnehmervertreter haben die Offerte entschieden abgelehnt. Eine Übernahme durch Liberty löse keine Probleme. NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) beurteilt die Pläne von Liberty-Chef Sanjeev Gupta deutlich positiver. Das Angebot sei eine "brauchbare Diskussionsgrundlage", hatte er der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gesagt. Es scheine so, als könnten sich ThyssenKrupps Stahlgeschäft und Guptas Werke anderswo in Europa gut ergänzen.
Staatseinstieg gefordert
Die SPD und die IG Metall fordern einen Einstieg des Staats bei ThyssenKrupp Steel, stoßen damit aber bei der Bundes- und der Landesregierung auf Ablehnung. Vor 14 Tagen lehnte auch der NRW-Landtag mit den Stimmen von CDU, FDP und AfD bei Enthaltung der Grünen einen entsprechenden Antrag der Sozialdemokraten ab.
ThyssenKrupp-Chefin Merz hat sich bislang zurückhaltend zu einer Staatsbeteiligung geäußert. Für eine Sanierung des Stahlgeschäfts im Alleingang benötige ThyssenKrupp aber finanzielle Hilfe, hatte Merz bei der Vorlage der tiefroten Zahlen für das vergangene Geschäftsjahr gesagt. Mit der Bundesregierung sei man in Gesprächen über Geld aus dem Wirtschaftstabilisierungsfonds.
Eine schnelle Lösung ist bei ThyssenKrupp weiter nicht in Sicht - doch die Zeit drängt. Das Liberty-Angebot ist gegen den Widerstand der Arbeitnehmer schwer vermittelbar, der Staat will nicht einsteigen. Wie es weitergeht, bleibt deshalb offen. Das Risiko ist hoch. Wer auf eine zyklische Erholung der Stahlbranche setzen will, greift lieber zum AKTIONÄR-Favoriten Klöckner & Co.
Mit Material von dpa-AFX