Hoffnung für Thyssenkrupp? Bundeskanzler Olaf Scholz will mit Spitzenvertretern der Stahlbranche Wege aus der Misere des wichtigen Industriezweigs diskutieren. Auch Betriebsräte und Gewerkschafter sind für Montag zu einem Stahlgipfel ins Kanzleramt geladen. Es gehe um konkrete Maßnahmen, um die Stahlherstellung in Deutschland zu sichern, teilte Scholz auf dem Kurznachrichtendienst X mit.
Wichtig seien verlässliche Strompreise, die Förderung von Investitionen und der Schutz vor Billig-Importen. Deutschlands größter Stahlkonzern Thyssenkrupp hatte im November angekündigt, dass die Zahl der Arbeitsplätze im Stahlbereich innerhalb von sechs Jahren um 11.000 schrumpfen soll. Von jetzt 27.000 Stellen sollen dann noch 16.000 übrig sein. Arbeitnehmervertreter und die IG Metall drohen mit langanhaltendem Widerstand. Auf die Frage, ob der Staat bei Thyssenkrupp Stahl einsteigen sollte, sagte der Kanzler der Funke Mediengruppe: "Ich nehme jetzt keine Option vom Tisch."
Wirtschaftsminister Robert Habeck betonte, auf dem internationalen Stahlmarkt sei der Wettbewerb noch immer verzerrt. Gegen Dumpingpreise und Überkapazitäten müssten die Instrumente genutzt werden, die das Handelsrecht bietet.
Zum Schutz der Stahlindustrie habe sich die Bundesregierung erfolgreich dafür eingesetzt, die EU-Schutzmaßnahmen gegen Stahlimporte bis Ende Juni 2026 zu verlängern. Darüber hinaus sei eine Verlängerung nach den Regularien der Welthandelsorganisation WTO rechtlich nicht möglich. "Das sollten wir nicht so einfach hinnehmen. Wir setzen uns daher für eine Nachfolgeregelung ein, um den Stahlmarkt so lange wie nötig zu schützen", sagte der Grünen-Politiker.
Die angeschlagene deutsche Stahlindustrie hat im dritten Quartal 2024 weniger Aufträge erhalten. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum beträgt der Rückgang 9,7 Prozent, wie das Statistische Bundesamt vor wenigen Tagen mitgeteilt hatte. Ein wesentlicher Grund für die schwache Stahl-Konjunktur sind die infolge des Ukraine-Kriegs stark gestiegenen Energiepreise. Im ersten Quartal 2022 - zum Zeitpunkt des russischen Angriffs - war die Produktion noch um 5,2 Prozent höher als aktuell.
Die Umsätze der Stahlindustrie sind ebenfalls zurückgegangen. Zwischen Juli und September 2024 erlösten die Unternehmen 1,8 Prozent weniger als im zweiten Quartal. Ende September waren in der Branche laut Statistischem Bundesamt noch 71.200 Menschen beschäftigt.
IG Metall ist besorgt
Indes haben sich Arbeitnehmervertreter besorgt über den angekündigten Rückzug des Finanzchefs Jens Schulte geäußert. "Der überraschende Abschied von Herrn Schulte ist sehr irritierend", sagte Jürgen Kerner, der Zweite Vorsitzende der IG Metall, der auch stellvertretender Aufsichtsratschef von Thyssenkrupp ist, der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" (WAZ). "Es drängt sich der Verdacht auf, dass er nur zur Überbrückung bei Thyssenkrupp angeheuert hat oder dass es interne Zerwürfnisse gibt. Hier ist eine Klärung nötig."
Schulte (53) hatte seinen Posten erst am 1. Juni angetreten. Am Donnerstag hatte das Unternehmen mitgeteilt, dass Schulte als Finanzvorstand zur Deutschen Börse wechseln wollte und daher um Beendigung seines Vorstandsmandats bitte. "Wir respektieren den Wunsch von Herrn Schulte, die sich ihm bietende Chance zu ergreifen, in den Vorstand eines Dax -Unternehmens zu wechseln, auch wenn wir sein Ausscheiden aus dem Vorstand der Thyssenkrupp AG sehr bedauern", hatte Aufsichtsratschef Siegfried Russwurm mitgeteilt.
Wann Schulte genau wechselt, wurde noch nicht bekannt. Laut der Mitteilung vom Montag wird er bis dahin weiterhin Finanzvorstand bleiben und ab dem 1. Februar auch die Aufgaben des Personalvorstands übernehmen.
Thyssenkrupp hatte im vergangenen Geschäftsjahr 2023/24 vor allem durch hohe Wertberichtigungen der Stahlsparte einen Verlust von 1,4 Milliarden Euro erlitten. Die Sparte steht aktuell vor einem tiefgreifenden Umbau, bei dem insgesamt 11.000 der derzeit 27.000 Stellen gestrichen oder ausgegliedert werden sollen. Im Streit um die Neuausrichtung der Sparte hatten Ende August drei Stahlvorstände das Unternehmen verlassen.
Aktuell wächst die Hoffnung, dass Thyssenkrupp das Schlimmste überwunden hat und sich die Konjunktur im kommenden Jahr wieder bessert. Die Aktie hat sich mittlerweile von ihren Tiefs gelöst. DER AKTIONÄR bleibt aber dabei: Es gibt derzeit weiterhin attraktivere Werte als Thyssenkrupp mit den vielen Baustellen.
Hinweis auf Interessenkonflikte
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Mit Material von dpa-AFX