Die Angst vor einem Platzen der Großen Koalition hat die RWE-Aktie in dieser Woche unter Druck gesetzt. Doch nachhaltige Sorgen müssen sich Anleger um den Konzern nach dem Innogy-Deal nicht machen. RWE ist gut für die neue Energiewelt gerüstet. CFO Markus Krebber hat sich im Exklusiv-Interview mit DER AKTIONÄR entsprechend zuversichtlich gezeigt, auch wenn die Entwicklung in der deutschen Politik zum Zeitpunkt des Interviews noch nicht absehbar war.
Herr Dr. Krebber, Glückwunsch, erneut konnten Sie die Prognose anheben. Vor allem im Handelsgeschäft läuft es weiter glänzend. In der Regel ist dieser Bereich sehr schwankend. Was erwarten Sie hier für das vierte Quartal?
Die gute Entwicklung im Energiehandel, die wir schon zum Halbjahr gesehen hatten, hat sich im dritten Quartal fortgesetzt. Auch wenn das Handelsgeschäft an sich sehr volatil ist, gehen wir davon aus, dass wir dieses Jahr hier deutlich über 300 Millionen Euro operatives Ergebnis erzielen werden.
Eine gute Nachricht war auch die Wiederaufnahme des britischen Kapazitätsmarktes. Wie wirkt sich diese für RWE aus?
Die britische Regierung hat nach der positiven Entscheidung der EU-Kommission angekündigt, dass sie die ausgesetzten Prämien nachzahlen wird. Das sind für die Jahre 2018 und 2019 insgesamt 230 Millionen Euro für RWE. Wir erwarten die Zahlungen Anfang 2020, ergebniswirksam werden sie aber schon im aktuellen Geschäftsjahr. Unser Segmentergebnis in der Europäischen Stromerzeugung wird daher deutlich besser ausfallen, als zu Jahresbeginn angekündigt. Auch die Anhebung unserer Prognose für RWE stand-alone ist vornehmlich der Tatsache geschuldet, dass wir diese Zahlungen nun im Ausblick berücksichtigen. Das war bislang nicht der Fall. Wir gehen aktuell davon aus, für RWE stand-alone 2019 ein bereinigtes EBITDA von 1,8 bis 2,1 Milliarden Euro zu erreichen.
Der Innogy-Deal ist inzwischen genehmigt. Wie schreitet die Integration der Erneuerbaren Energien von E.ON und innogy voran? Wie sieht der Zeitplan aus?
Im September haben wir unsere Innogy-Beteiligung an E.ON übertragen und wurden im Gegenzug größter Aktionär von E.ON. Gleichzeitig sind die Erneuerbaren Aktivitäten von E.ON mit ihren Teams zu uns gewechselt. Zeitgleich gingen auch die Minderheitsbeteiligungen an den Kernkraftwerken Gundremmingen und Emsland an uns über. Seit dem 30. September ist unsere neue, vierte Tochter RWE Renewables unterwegs. Nun steht noch die Rückübertragung der Innogy-Renewables zu uns an. Das wird so schnell wie möglich im nächsten Jahr erfolgen. Mit der Genehmigung der Transaktion ist ein strukturierter Austausch in der Interimsphase bereits möglich, um den operativen Start der neuen Gesellschaft nahtlos zu ermöglichen. Schon jetzt arbeiten die Teams aus beiden Teilen des Erneuerbaren-Geschäfts gemeinsam daran, die Integration vorzubereiten und die Strategie der RWE Renewables zu schärfen.
RWE verfügt heute bereits über ein Portfolio mit mehr als 9 GW Erzeugungskapazität, weitere 2,6 GW sind im Bau. Das wollen wir weiter ausbauen und jährlich bis zu 1,5 Milliarden Euro investieren.
Die Rückbesinnung auf Erneuerbare Energien ist der Trigger für die Zukunft. RWE wird zur neuen Nummer 3 bei Erneuerbaren in Europa. Wo soll der Fokus liegen? Wo sehen Sie in diesem Bereich besonders Potenzial?
Die Erneuerbaren sind ein weltweit stark wachsendes Geschäft. Kernmärkte für Investitionen in On- und Offshore-Wind als auch Photovoltaik sind für uns Nordamerika und Europa. Interessant für uns wird auch der asiatisch-pazifische Raum. In Australien bauen wir bereits mit Limondale das derzeit größte Solarkraftwerk, in Tokio haben wir Ende Oktober ein Büro eröffnet und erste Partnerschaftsverträge abgeschlossen. RWE verfügt heute bereits über ein Portfolio mit mehr als 9 GW Erzeugungskapazität, weitere 2,6 GW sind im Bau. Das wollen wir weiter ausbauen und jährlich bis zu 1,5 Milliarden Euro investieren.
Welche Hindernisse sehen Sie durch die Politik?
Deutschland ist ein Markt unter vielen. Die Politik setzt unterschiedliche Rahmen in den Ländern, in denen wir aktiv sind. In diesen Rahmen bewegen wir uns. Länder stehen im Wettbewerb um Investitionsmittel und hier ist Deutschland derzeit nicht so gut aufgestellt. Sorge macht der schleppende Ausbau von Offshore-Wind, aber auch der Ausbau der Windkraft an Land, der fast zum Erliegen gekommen ist. Wurden vor drei Jahren im Zeitraum von Januar bis September noch mehr als 1.200 Genehmigungen erteilt, waren es in den ersten drei Quartalen dieses Jahres laut BDEW nur noch rund 350. Die von der Bundesregierung vorgesehene Abstandsregelung von 1.000 Metern wird den Zubau weiter erschweren. Um das 65-Prozent-Ausbauziel mit Erneuerbaren Energien bis 2030 zu erreichen, ist weiterer Zubau von Windenergie erforderlich. Ich glaube, dass die Politik um gute Rahmenbedingungen kämpfen muss, denn Investoren vergleichen die Attraktivität der Märkte untereinander.
Sie haben nach dem Deal mit E.ON bereits ein erstes Aktienpaket am Rivalen verkauft. Gibt es Pläne, die Beteiligung unter bestimmten Bedingungen weiter zu reduzieren – beispielsweise für Investitionen zum Ausbau der Erneuerbaren?
Wir haben Ende September/Anfang Oktober unsere Beteiligung an E.ON auf 15 Prozent reduziert. Das geschah im Rahmen einer generellen Portfolio-Optimierung. Für uns ist die E.ON-Beteiligung eine reine Finanzbeteiligung und kein strategisches Investment. Wir freuen uns über die solide Entwicklung und die attraktive Dividende, aber sollten wir mittelfristig Chancen sehen, diese Finanzbeteiligung ganz oder teilweise strategisch einzusetzen, werden wir das tun. Momentan steht das nicht an.
Die Entschädigungen für den Kohleausstieg bleiben ein Thema. Gibt es hier neue Erkenntnisse?
Die Entschädigungen für den Kohleausstieg bleiben ein Thema. Gibt es hier neue Erkenntnisse?
Die Gespräche haben Fahrt aufgenommen, zu den Details haben wir Stillschweigen vereinbart. Es ist bedauerlich, dass der Prozess so schleppend vorangeht. Das ist vor allem für unsere Mitarbeiter sehr belastend. Sie hängen seit Jahresanfang in der Luft und wissen nicht, wie es weitergeht. Wir haben bereits frühzeitig erklärt, dass wir konstruktiv an einer gemeinsamen Lösung mit arbeiten.
Der Hambacher Forst könnte derweil stehen bleiben. Mit welchen Folgen rechnen Sie für den Konzern?
Ich verstehe das Interesse an der Frage, aber auch hier ist die Politik am Zug. Wir haben bereits mehrfach unsere Bereitschaft bekräftigt, den Hambacher Forst stehen zu lassen. Dazu bedarf es einer komplett neuen Braunkohleplanung, die einerseits neue Genehmigungen und ein komplett neues Rekultivierungskonzept erfordert, andererseits auch mit erheblichen Kosten verbunden ist. Das ist Teil des Gesamtpakets, das die Kohlekommission vorgeschlagen hat.