Wie geht es mit Rocket Internet weiter? Joel Kaczmarek hat das Buch „Die Paten des Internets“ geschrieben, das sich dem Werdegang der Gebrüder Samwer widmet. Zudem war er Chefredakteur des Online-Magazins Gründerszene und betreibt nun einen Analysten-Blog namens digitalkompakt, der sich ebenfalls mit der Digitalbranche auseinandersetzt
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DER AKTIONÄR: HelloFresh oder Delivery Hero betonen, sie könnten innerhalb weniger Monate profitabel agieren. Bleiben wirklich schwarze Zahlen am Ende stehen?
JOEL KACZMAREK: Ja, davon bin ich überzeugt. Die Frage ist nur: Wenn die Unternehmen die Marketingkosten runtersetzen, wie viel Bestand wird deren Modell haben? Zum Beispiel war der Bestellservice pizza.de sieben Jahre lang Marktführer und wurde dann für viele Millionen Euro von Delivery Hero rausgekauft. Noch wird ein eher kleiner Teil aller Essensbestellungen online getätigt – es ist viel Potenzial nach oben offen. Aber bei einem „Winner takes it all“-Markt ist die Konkurrenz von JustEat aus Großbritannien oder der Takeaway Group aus den Niederlanden sehr hoch. Kann man es sich leisten nachzulassen? Bleiben dann die Umsätze stabil? Aber von der Grundsache her bin ich überzeugt, dass es funktioniert.
Wann rechnen Sie mit schwarzen Zahlen in der Bilanz von Rocket Internet?
Der Börsenkurs von Rocket Internet hat die Talsohle erreicht. Sie hatten Probleme mit Shortsellern, die aufgrund des abgebrochenen HelloFresh-IPOs gegen sie gewettet haben, was den Kurs in den Keller trieb. Die Gegenmaßnahmen sind gesetzt: ein Rückkauf der Wandelanleihe oder Verkauf von unsicheren Beteiligungen. Es wird Wachstum geben, aber nicht explosionsartig. Ich gehe eher von einer volatilen Entwicklung aus. Aber wohin soll sich die Aktie noch entwickeln, wenn nicht nach oben?
Hat sich der IPO von Rocket Internet für die Gebrüder Samwer gelohnt?
Ja. Einerseits wirtschaftlich: Sie werden ihren Schnitt gemacht haben. Andererseits sind sie damit in eine andere Liga aufgestiegen. Bis zum IPO von Rocket Internet hatte Oliver Samwer zum Beispiel keinen Amtstitel inne – keinen CEO-Sitz oder Geschäftsführerposten. Jetzt ist er Vorstandsvorsitzender einer AG, was Umstellungen in seinen Strukturen als auch bei seiner Denkweise mit sich brachte.
Sind die hohen Bewertungen der einzelnen Beteiligungen gerechtfertigt?
Nein. Aber die Bewertung ist ein Zusammenspiel aus Angebot und Nachfrage. Oliver Samwer versteht es gut, Nachfrage anzuregen und mit Ängsten von Akteuren im Markt zu spielen. Strategen oder Großindustrielle folgen ihm gerne, denn sie haben Sorge, nach der Digitalisierung keine Rolle mehr zu spielen. Fragt man dagegen nach harten Kennzahlen wie Umsatz, Gewinn oder Marketingkosten, muss die Antwort „Nein“ lauten. Die letzte Bewertung von HelloFresh war zum Beispiel sehr übertrieben. Letztlich zählt: Eine Bewertung ist immer dann gerechtfertigt, wenn jemand dafür zahlt.
Kein Kauf
Die Skepsis angesichts der hohen Bewertungen erklärt den Abschlag der Rocket-Aktie auf den ausgewiesenen Wert der Beteiligungen. Das Papier befindet sich im Abwärtstrend – eine nachhaltige Trendwende ist noch nicht in Sicht. Kein Kauf!