Die Aktie des Küchengeräteherstellers Rational ist aufgrund der Coronakrise mehr als 40 Prozent eingebrochen. Grund dafür ist die Tatsache, dass die Kunden aus sehr Corona-sensiblen Industriezweigen wie Tourismus und Gastronomie kommen. Dennoch: Die Marktstellung von Rational ist hervorragend. Selbst bei einem Umsatzrückgang von 43 Prozent im zweiten Quartal hat der Spezialist für Großküchen keine Verluste gemacht. DER AKTIONÄR hat mit Rational-Vorstand Peter Stadelmann über die aktuelle Situation bei Rational gesprochen.
DER AKTIONÄR: Herr Stadelmann, Rational stattet seit Jahren Großküchen aus. Was bedeutet für Ihr Unternehmen die Corona-Krise – schließlich trifft es vor allem viele Gastro-Betriebe extrem hart.
Peter Stadelmann: Unsere Kunden aus Gastronomie. Tourismus und Catering sind von den Lockdown-Maßnahmen mit am stärksten betroffen. Sie dürfen nicht öffnen oder die Bedingungen, zu den sie öffnen dürfen, erlauben ihnen keinen wirtschaftlichen Betrieb. Deshalb wollen bzw. können viele jetzt nicht investieren. Der Umsatz war daher im ersten Halbjahr rund 25 % niedriger als im Jahr 2019.
DER AKTIONÄR: Der Umsatz von Rational ist im zweiten Quartal fast um die Hälfte weggebrochen. Sehen Sie in den letzten Wochen Besserung?
Peter Stadelmann: Ja deutlich. Fürs erste dürfte die Talsohle durchschritten sein. Im März und im April waren ja die Maßnahmen am stärksten und die Verunsicherung am größten. Das Auftragsniveau hat sich in den letzten Wochen spürbar verbessert, bleibt aber auf reduziertem Niveau. Keiner kann sagen, welche Lockerungen oder weiteren Einschränkungen noch auf uns zukommen werden und wie die das Geschäft unserer Kunden und damit auch unser Geschäft beeinflussen werden.
Viele Gastro-Betriebe haben wieder geöffnet – unter Auflagen. Wie sehen sie die nächsten Monate. Ist die Zurückhaltung oder bessere gesagt die Schockstarre verschwunden und in eine gewisse Aufbruchsstimmung übergegangen?
Peter Stadelmann: Wenn man sich die Innenstädte an schönen Tagen anschaut könnten man wirklich an Aufbruchstimmung denken. Viele unserer Kunden können aber unter den bestehenden Auflagen ihr Geschäft nicht wirtschaftlich betreiben. Bei vielen Restaurants fehlen die profitablen Feierlichkeiten wie große Hochzeiten, Geburtstagsfeiern. Zudem darf nur eine limitierte Zahl an Plätzen besetzt werden und die zusätzlichen Hygieneauflagen sind teuer. Einige Menschen gehen nicht ins Restaurant, weil sie das Geld sparen wollen, andere weil sie Angst vor einer Ansteckung haben, andere davor, danach möglicherweise in Quarantäne zu müssen.
DER AKTIONÄR: Es scheint, als wäre das Thema Corona für die Börse abgehakt. Man ist vorbereit, weiß mehr über das Virus. Aber viele Firmen bleiben skeptisch. Auch Sie verzichten auf eine Prognose für das Gesamtjahr.
Peter Stadelmann: Beim besten Willen können wir – wie alle anderen – nicht einschätzen, ob es weitere Wellen geben wird und ob es weitere Lockdowns geben wird. Wir wissen auch nicht, wie schnell die Gesellschaft und Wirtschaft nach dieser verordneten „Vollbremsung“ wieder in Fahrt kommen werden. So etwas gab es noch nie. Wir wissen also, dass wir vieles nicht wissen. Umso wichtiger ist es, dass wir als Unternehmen möglichst viel Kundennutzen bieten – denn das ist immer richtig.
DER AKTIONÄR: Wie konnten sie als Firma derzeit den Kontakt zum Kunden oder zu Neukunden herstellen bzw. aufrechterhalten? Schließlich war durch die Pandemie der Besuch des Außendienstes beim Endkunden schwer möglich.
Peter Stadelmann: In unserem Geschäft und vor allem für unsere Kundennutzenphilosophie ist der Kundenkontakt entscheidend. Deshalb haben wir alles getan, um den Kontakt zu unseren Kunden halten. Das meiste fand in den letzten Monaten digital oder telefonisch statt. Viele Kunden haben diese Zeit genutzt, um ihre Mitarbeiter trainieren zu lassen, meist am Bildschirm, statt in der Küche. Unsere Marketingkollegen haben hier einen großartigen Job gemacht und eine Vielzahl digitaler Kommunikationsformate entwickelt. Die komplette Einführung unser neuen Produktgeneration wurde in wenigen Wochen von einer Live-Tournee in eine Online-Einführung umgearbeitet. Die Akzeptanz ist hoch, das Feedback überwiegend positiv. Wir konnten mehr als 27 Millionen Kontakte in den sozialen Netzwerken ansprechen.
DER AKTIONÄR: Wird sich das schwierigere Kontaktieren der Endkunden wiederum negativ auf den weiteren Geschäftsverlauf im Jahr 2020 auswirken?
Peter Stadelmann: Nein, das glaube ich nicht. Unser Vertrieb ist mit voller Kraft und großem Engagement dabei, ihren Kunden zu helfen. Die werden alles geben, um noch mehr Kunden zu kontaktieren. Aber ob diese investieren werden, hängt letztendlich mehr von der Gesamtentwicklung ab.
Herr Stadelmann, was glauben Sie, wie lange könnte die Corona-Krise Rational beschäftigen?
Peter Stadelmann: Wir diskutieren im Moment die Auswirkungen von Corona auf unsere Leistungen für Kunden, auf unsere Produktionssystem, auf unser Marketing und unseren Vertrieb. Aber auch auf die Verwaltungsprozesse. Alles wird durchleuchtet. Einige Änderungen könnten uns schon mehrere Jahre beschäftigen. Durch unsere sehr gute Kapitalsituation und Effizienz, durch unsere höchste Flexibilität sind wir dafür sehr gut gerüstet. In den guten Jahren mussten wir öfters Kritik einstecken, warum wir so konservativ unser Geschäft betreiben würden. Deswegen.
DER AKTIONÄR: Viele Firmen, wie zum Beispiel die Automobil-Hersteller, versuchen mit allen Mitteln die Verluste der vorangehenden Monate wieder aufzuholen. Wird das bei Rational überhaupt möglich sein?
Peter Stadelmann: Glücklicherweise haben wir selbst beim Umsatzrückgang von 43 % im zweiten Quartal keine Verluste gemacht. Ob es bei den Kunden einen Nachholeffekt geben wird, der die Umsatzeinbußen kompensieren kann, hängt wieder stark von deren Geschäftsentwicklung ab. Je schneller die Einschränkungen für unsere Kunden gelockert oder aufgehoben werden, desto wahrscheinlicher ist das. Zu einem Nachholeffekt beitragen werden auch unsere neuen Produkte, die einen Austausch jetzt noch vorteilhafter machen.
DER AKTIONÄR: Blicken wir nach vorne: Bei Rational stößt man immer wieder auf das Schlagwort Intelligenz. Können Sie erklären, was man sich darunter vorstellen muss oder kann? Bei High-Tech-Firmen arbeitet man via künstlicher Intelligenz - werden nun auch die Gar-Öfen von Rational „intelligent“?
Peter Stadelmann: Sie werden nicht intelligent, sie sind es bereits. 2004 haben wir das SelfCookingCenter® eingeführt, der erste intelligente Combi-Dämpfer am Markt. 2005 folgte dann das VarioCookingCenter®, die erste intelligente Multifunktions-Kippbratpfanne. Intelligenz im Zusammenhang mit unseren Geräten bezieht sich wie beim Menschen auf Fähigkeiten. Je intelligenter etwas ist, umso mehr kann es. Ein SelfCookingCenter oder der neue iCombi Pro sind mit Sensoren ausgestattet, die jederzeit den Zustand des Garguts und damit den Garfortschritt erkennen. Dieser wird ständig mit dem vom Koch oder von der Köchin festgelegten Wunschergebnis verglichen. Unsere Garintelligenz, also unsere Software, regelt den Garprozess punktgenau dahin. Das schafft den ineffizienten Überwachungsaufwand ab oder reduziert ihn deutlich. Und es macht die Qualität unabhängig von Fachwissen. Selbst ich als Nicht-Koch kann so ganz unterschiedliche Speisen immer perfekt garen.
DER AKTIONÄR: Bleiben wir beim Thema Intelligenz. Sie haben zuletzt sogar ihr SelfCookingCenter mit autonomem Fahren verglichen. Helfen sie uns in diesem Punkt etwas auf die Sprünge- inwieweit ist das vergleichbar?
Peter Stadelmann: Dann springe ich zuerst vom Auto zur Kamera. Vergleichen Sie eine analoge Kamera von vielleicht 1980. Sie hatte einen Belichtungsmesser. Mit den Einstellungen von Blende und Verschlusszeit haben Sie dann variiert, bis die Belichtung passte. Und optische Anzeigen im Sucher halfen Ihnen, scharf zu stellen. Nach 36 Aufnahmen war der Film voll und die Bilder sahen Sie erst nach einigen Tagen. Heute stellen Kameras vollautomatisch Schärfe und Belichtung ein, sie erkennen den Aufnahmekontext und Gesichter, korrigieren rote Augen beim Blitzen, stabilisieren das Bild, wenn Sie wackeln, speichern Datum, Zeit und die GPS-Daten der Aufnahmen und zeigen Ihnen die Bilder sofort, bzw. sogar bevor sie sie machen. Eine digitale Kamera ist also um Welten intelligenter. Dadurch können auch Nicht-Profi-Fotografen viel bessere Aufnahmen machen. Zurück zum Auto. Das Auto der Zukunft wird intelligenter und kann deswegen irgendwann selbst fahren. Alles und alle können transportiert werden, ohne dass ein Mensch mit Führerschein im Auto sitzt. Stellen Sie sich vor, was das bedeutet. Die RATIONAL-Geräte können bereits seit 2004 selbstständig kochen. D.h. der Koch gibt einfach sein Ziel, das heißt sein Wunschergebnis ein. Beispielsweise den Fisch innen glasig und außen cross. Das Gerät misst dann jede Sekunde die verschiedenen Parameter, entscheidet über den optimalen Garverlauf und ruft den Koch, wenn das Ziel, das Wunschergebnis erreicht ist. So wie beim autonomen Fahren kein Fahrer nötig wäre, so braucht man für unsere Geräte keinen ausgebildeten Koch, um ans Ziel zu kommen. Von denen gibt es immer weniger und der Trend wird sich in Zukunft noch verschärfen
DER AKTIONÄR: Heutzutage geht der Trend Richtung Digitalisierung: Bestellsoftware, Service-Roboter, sogar Gäste-Tracking. Wie kann man diese digitalen Trends mit Großküchen verbinden?
Peter Stadelmann: Seit einigen Jahren gibt es digitale Trends, die in unserer Branche Einzug halten. Die Konnektivität ist hierbei eine der Entwicklungen, die wir mit ConnectedCooking unterstützen. Dies ist eine Cloud-basierte Vernetzungslösung, mit der Kunden ihre RATIONAL-Geräte und Geräte anderer, angeschlossener Hersteller von Küchenequipment mit ihrem Computer oder einem mobilen Gerät verbinden, überwachen, steuern und automatisch die Software oder Rezepte updaten können. Dadurch können Kunden Prozesse standardisieren, vereinfachen und Personal sparen.
DER AKTIONÄR: SelfCookingCenter und Digitalisierung - wird sich das langfristig auch positiv auf Umsatz und Gewinn von Rational auswirken?
Peter Stadelmann: Wichtig ist zu bedenken, dass in Europa der Combi-Dämpfer bereits sehr etabliert ist. In den Überseemärkten, die über zwei Drittel des Gesamtmarktes ausmachen, ist die Technologie aber noch weniger bekannt und nicht genutzt. Deshalb sehen wir hier das größte Wachstumspotenzial. Ein sehr großes Potenzial sehen wir vor allem mit dem VarioCookingCenter®. Dieses wurde erst 2005 erfunden – der Combi-Dämpfer bereits 1976 – und befindet sich noch immer in einem sehr frühen Marktstadium. Bei ConnectedCooking haben wir gerade erst im Februar das erste kostenpflichtige Modul am Markt eingeführt. Hier stehen wir noch ganz am Anfang. Wir sehen bereits großes Interesse bei Kunden, es wird aber bestimmt ein paar Jahre dauern, bis wir hier von einem nennenswerten Umsatz- und Ergebnisbeitrag sprechen können. Das Positive an Corona ist, dass sie für mehr Bedarf und Nachfrage nach Softwarelösungen für Effizienzsteigerungen sorgt.
Fazit: Rational ist eine spannende Comeback-Chance auf dem deutschen Kurszettel.