Für Openlimit war der Zuschlag beim neuen Personalausweis ein großer Erfolg. Das Zahlenwerk des Softwarespezialisten für elektronische Signaturen und Identitäten konnte bisher nur bedingt überzeugen. DER AKTIONÄR sprach mit Finanzchef Christian Fuessinger über die weiteren Perspektiven.
Openlimit zählt bisher zu den Enttäuschungen des Börsenjahres 2011. Nun hat sich der Schweizer IT-Security-Spezialist mithilfe von Darlehen einen Mittelzufluss von 1,5 Millionen Euro gesichert. Ist dies der Startschuss zur Trendwende? DER AKTIONÄR sprach mit Finanzvorstand Christian Fuessinger über die Verwendung des frischen Kapitals, die Kinderkrankheiten des neuen Personalausweises sowie die aufkeimende Übernahmefantasie.
DER AKTIONÄR: Herr Fuessinger, Openlimit hat Darlehen im Volumen von 1,5 Millionen Euro aufgenommen. Die Darlehen verfügen über Wandelrechte und wären in maximal 1,25 Millionen neue Aktien zu einem Ausübungspreis von 1,20 Euro wandelbar. Was hat Sie zu diesem Schritt bewogen?
Damit hat sich die finanzielle Situation bei Openlimit nun spürbar entspannt. Wie wollen Sie die zugeflossenen Mittel einsetzen?
Wir beabsichtigen, die Mittel für Investitionsvorhaben in der Entwicklung, dem Vertrieb und dem Marketing neuer Produkte zu nutzen. Unmittelbar im Fokus steht dabei die laufende Entwicklung unseres Gemeinschaftsproduktes mit Fujitsu im Bereich beweiswerterhaltende Langzeitspeicherung SecDocs, welches sich bereits in der Pilot- und Zertifizierungsphase befindet. Zudem die Zertifizierung der neuesten Version OpenLimit v.3 sowie ein neues Produkt für den Konsumentenmarkt, welches wir schon in absehbarer Zeit offiziell vorstellen werden können. Ferner wollen wir diese Mittel nutzen, um weiter in unsere Basistechnologien zu investieren und damit auch künftig unseren Technologievorsprung halten zu können.
Seit Jahresanfang hat die Openlimit-Aktie rund 35 Prozent an Wert verloren. Worauf führen Sie den unbefriedigenden Kursverlauf zurück?
Der derzeitige Kursverlauf der OpenLimit Aktie ist auch für uns alles andere als zufriedenstellend. Wie allgemein bekannt ist, befinden sich auch unter den Mitgliedern der Geschäftsleitung und vor allem im Verwaltungsrat einige große Aktionäre. Ich selbst habe zuletzt bei einem Kurs von 1,48 Euro aufgestockt. Auffällig ist aber, dass die Handelsvolumina in den letzten Monaten mit wenigen Ausnahmen recht gering gewesen sind. Dies lässt auf eine eher abwartende Haltung bei den Anlegern schließen. In einer solchen Situation kann schon ein größerer Käufer oder Verkäufer die Balance in die einer oder andere Richtung kippen und das scheint zuletzt passiert zu sein.
Kommen wir auf den neuen deutschen Personalausweis zu sprechen, für den am 1. November 2010 der Startschuss gefallen ist. Aufgrund von Hacker-Attacken geriet er allerdings zum PR-Fiasko. Wie fällt Ihr Fazit nach acht Monaten aus? Ist der neue Ausweis sicher?
Die Antwort kann nur ein klares "Ja" sein! Ein halbes Jahr nach der Einführung des neuen Personalausweises lautet eine wichtige Botschaft für alle Diensteanbieter: Das sichere Zusammenspiel aller technischen Komponenten mit der Ausweiskarte ist gewährleistet und bietet nachweislich einen so noch nie dagewesenen Identitätsschutz im Internet. Eine beidseitige Authentifizierung - das Herzstück des deutschen Ausweisprojektes - schafft für alle Beteiligten ein hohes Maß an Sicherheit im Onlineverkehr.
Bei einem aktuellen Praxistest der Stiftung Warentest ist der neue Personalausweis (nPA) jedoch durchgefallen, insbesondere bei der Online-Identifizierung. Zudem wird die zur Identifikation vorgesehene Funktion "eID" bislang nur von rund 20 Stellen im Internet eingesetzt. Sind die Kinderkrankheiten noch immer nicht behoben?
Als Hersteller der AusweisApp befinden wir uns - wie übrigens auch das ganze Projekt - trotz der von Ihnen benannten Startschwierigkeiten auf einem sehr guten Weg. Die häufig zu lesende Kritik, es gäbe zu wenig Einsatzmöglichkeiten für das Dokument, entspricht leider noch der Realität. Aber bitte bedenken Sie, es handelt sich hierbei um ein umfassendes Infrastrukturprojekt. Hier spielen unterschiedlichste Technologien, Hersteller und Verfahren eine bestimmende Rolle. Viele Anbieter, die ihren Online-Dienst mit der elektronischen Ausweisfunktion verknüpfen wollen, haben abgewartet. Sie gewinnen nun Stück für Stück das notwenige Vertrauen in die Sicherheitskomponenten des neuen Personalausweises und werden mit zunehmender „Marktpenetration" des nPAs - sprich: Verbreitung bei der potenziellen Kundschaft der Unternehmen - Online-Services mit der Ausweiskarte anbieten.
Welche Rolle spielt dabei das neue eGovernment-Gesetz der Bundesregierung?
Das neue eGovernment-Gesetz der Bundesregierung nimmt immer mehr Konturen an. Ziel dieses Vorhabens ist es u.a., die Online-Ausweisfunktion rechtlich stärker in den Vordergrund zu rücken. Massenverfahren wie Meldevorgänge und andere Verwaltungsdienstleistungen auf zum Beispiel kommunaler Ebene können dann endlich medienbruchfrei online abgewickelt werden. Eine durch den nPA geschaffene Erleichterung für alle beteiligten Stellen. Schließlich lautet das Ziel der Bundesregierung, dass bis Ende 2011 einhundert Online-Dienste mit der eID Funktion ausgestattet werden sollen.
Bis Ende April wurden 2,3 Millionen neue Ausweise ausgeliefert. Aber lediglich 20 Prozent der Bundesbürger haben vor, die elektronische Identität (eID) verwenden zu wollen, um sich im Internet gegenüber Geschäftspartnern oder Händlern zu identifizieren. Worauf führen Sie die mangelnde Akzeptanz zurück?
Eines vorweg: Aktuell sind schon über vier Millionen Ausweise ausgeliefert. Und wir sehen einzelne Regionen, in denen die Quote bereits deutlich höher ist. Aber wie Sie bereits richtig anmerkten, haben wir derzeit noch nicht so viele Szenarien, in denen der Ausweis in der digitalen Welt eingesetzt werden kann. Ein größeres Onlineangebot wird künftig aber mit einer breiteren Aufmerksamkeit für die Online-Authentisierung einhergehen. Und interessante Anwendungen wie die Kindergeld- und Rentenabfrage, eine schnelle SCHUFA-Auskunft oder die Möglichkeit der leichten Einsicht meines Punktestandes im Verkehrsregister in Flensburg sind Projekte, die in der Masse für mehr Akzeptanz in der Breite sorgen werden. Und das ist nur der Anfang. Jedes einzelne Projekt ist ein weiteres Puzzlestück.
Also ist zunächst einmal Geduld gefragt?
Wir dürfen nicht vergessen, dass damit auch ein gewisser Kulturwandel einhergeht: Zwar hatte jeder Bundesbürger und jede Bundesbürgerin das traditionelle Ausweisdokument immer bei sich, hat es aber im Alltag selten benutzt. Nunmehr kann ich es im Internet für verschiedenste Anwendungen tagtäglich einsetzen. Dies umzusetzen, ist nicht ganz so einfach und benötigt Zeit! Somit gehen wir davon aus, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt - vielleicht schon nächstes Jahr - ein Netzwerkeffekt entsteht. D.h. mit jedem neuen Personalausweis wird es für Unternehmen interessanter, ihrer Kundengruppe diese hochsichere Möglichkeit der Identifizierung im Internet anzubieten. Und mit der wachsender Zahl von Applikationen werden auch mehr Bürger dieses Angebot nutzen.
Bei den Umsätzen mit dem nPA verfolgt Openlimit in der Regel ein Transaktionsmodell. Wie sieht dieses aus und wie abhängig ist OpenLimit damit vom Erfolg des neues Ausweises?
Der neue Personalausweis ist ein maßgeblicher Treiber im Aufbau einer neuen IT-Infrastruktur in Deutschland. Je mehr Ausweise im Umlauf sind, desto größer wird der Bedarf für Unternehmen die Vorteile des nPA für sich zu nutzen und einen eID-Server zu implementieren oder einen eID-Server-Dienst für sich in Anspruch zu nehmen. Des Weiteren steigt im Anschluss der
Druck auf diejenigen Konkurrenzfirmen, welche noch keinen eID-Server nutzen, diesen zu implementieren, um so mit dem Wettbewerb mithalten zu können. OpenLimit verdient mit der Planung, der Beratung, der eigentlichen Installation des eID-Servers, und mit der Schulung der kundenseitigen Administratoren einmalige Umsätze im Zusammenhang mit dem eID-Server. Sind diese Server in den Firmen implementiert, werden wir weiterhin pro erfolgreich abgeschlossener Authentifizierungen vergütet, welche sich je nach Umfang des Transaktionsvolumens unterscheidet und sich im ein- bis zweistelligen Eurocent-Bereich bewegt. Des Weiteren wird die Softwarepflege jährlich vergütet.
Die Einführung des nPA sollte OpenLimit zum Durchbruch verhelfen. Davon ist allerdings noch wenig zu spüren, wenn man auf die Zahlen des ersten Quartals 2011 blickt. Die Umsatzerlöse kletterten um gerade einmal vier Prozent auf 0,76 Mio. Euro, die Verluste erhöhten sich auf 0,81 Mio. Euro. Worauf ist der verhaltene Geschäftsentwicklung zurückzuführen?
Leider kam es bei diversen Großprojekten zu Verzögerungen, was für ein Unternehmen unserer Größe sehr rasch Auswirkungen auf das Quartalsergebnis haben kann. Wichtig ist, dass es sich dabei vorwiegend um Verschiebungen bei Projekten handelt, die eben zu einem späteren Zeitpunkt kommen werden. Der Umsatz ist verschoben, nicht verloren. Wir erwarten vor allem in der zweiten Hälfte des laufenden Geschäftsjahres ein signifikantes Umsatzwachstum, da einige dieser Projekte dann an Fahrt gewinnen werden.
Wann werden Sie die Früchte Ihrer Entwicklungsarbeit ernten? Erwarten Sie in den nächsten Quartalen eine höhere Wachstumsdynamik?
Wir erwarten in der zweiten Hälfte des laufenden Geschäftsjahres und wie schon in den vergangenen Jahren vor allem im vierten Quartal einen deutlichen Anstieg im Umsatz. Daran ist beispielsweise ein Großprojekt aus unserem Auftragsbestand beteiligt, welches bereits mehrere Male verschoben wurde und jetzt definitiv im dritten Quartal beginnen wird. Des Weiteren ist die Entwicklung bei dem gemeinsam mit Fujitsu entwickelten Produkt, Fujitsu SecDocs, sehr erfreulich. Die Nachfrage nach SecDocs ist bereits vor der fertigen Zertifizierung äußerst vielversprechend, da viele Unternehmen verständlicherweise einen Bedarf darin sehen, ihren kompletten physischen Aktenbestand elektronisch und beweissicher auf Servern zu speichern. So werden Firmen zukünftig im Vergleich zur herkömmlichen Weise viel Geld sparen und effizienter arbeiten können, da Dokumente somit auch schneller zu finden sind. Darüber hinaus werden wir auch vom starken Vertrieb von Fujitsu entscheidend mit profitieren können.
Im Bereich Langzeitarchivierung kooperiert OpenLimit mit msg systems, einem der führenden Beratung- und Systemintegrationsunternehmen Deutschlands. Welche Bedeutung hat diese Zusammenarbeit für OpenLimit?
Die Kooperation mit msg systems basiert auf der gemeinsamen Entwicklung und Vermarktung nachhaltiger Gesamtlösungen für elektronische Register-Anwendungen. Dies ist insofern bedeutend, da Registersysteme wie Waffenregister, Personenstandsregister, Melderegister, etc. eine zentrale Rolle für Verwaltungen, Behörden oder andere öffentliche Körperschaften spielen. Und was uns ganz besonders freut: Mit msg systems haben wir hier eines der führenden Beratungs- und Systemintegrationsunternehmen als Partner gewinnen können. Das ist ein Signal an den Markt, die Partner und die Kunden. Durch die Synergiebündelung werden wir hier künftig leistungsstärkere und langfristig nachhaltige Lösungen anbieten können.
Der Börsenwert von OpenLimit ist zuletzt deutlich gesunken. Ist die Gesellschaft auf dem niedrigen Niveau nicht ein attraktives Übernahmeziel für größere Player am Markt?
OpenLimit ist dank unserer bewährten Technologie, der langjährigen Expertise und vor allem durch die starke Positionierung im eID/eSignature-Markt und nun auch im digitalen Archivierungsmarkt sicherlich bei manchen Unternehmen auf dem Radarschirm. Der zurzeit zweifellos günstige Aktienkurs könnte durchaus noch weiteres Interesse an unserem Unternehmen generieren. Dies gilt übrigens für alle Arten von Investoren, wobei es schwer vorstellbar ist, dass unsere Kernaktionäre zum heutigen Kurs verkaufen würden. Ein etwaiges Übernahmeangebot wird meiner Meinung nach vor allem davon abhängig sein, wie schnell sich der eID-Markt entwickelt und wie hoch der effektive Bedarf an vertrauenswürdiger Langzeitarchivierung ist. Es ist unser erklärtes Ziel, dass sich unsere Marktposition auch in unseren Finanzresultaten niederzuschlagen beginnt. Dann werden bestimmt noch mehr Unternehmen und Investoren auf uns aufmerksam werden.
Herr Fuessinger, vielen Dank für das Interview.
Eine Spekulation wert
Nach der Talfahrt der letzten Monate ist Openlimit auf derzeitigem Niveau eine Spekulation wert. Durch die aktuelle Kapitalspritze hat sich die finanzielle Situation entspannt, sodass risikobereite Anleger auf eine Trendwende mit Trading-Ziel 1,40 Euro spekulieren können. Ein Stopp bei 0,90 Euro sichert ab.