Die ersten Analysten zeigen sich im Hinblick auf den Streaming-Giganten Netflix nach den enttäuschenden Quartalszahlen wieder positiver. Ralph Schackert von William Blair rechnet mit mindestens 50 Prozent Kurspotential über die nächsten Jahre. Wie passt das mit dem stagnierenden Amerika-Geschäft zusammen?
Den Grund für den möglichen Kursanstieg sieht der Analyst nicht in einem Neukundenzuwachs, sondern in der demografischen Entwicklung bereits vorhandener Nutzer. Über 70 Millionen Nutzer zahlen nichts für den Streaming-Dienst, da sie über den Account von ihren Eltern oder Mitbewohnern schauen. Wenn diese älter werden und in ihre eigene Wohnung ziehen, wird ein Teil von ihnen den Dienst kostenpflichtig nutzen, so der Analyst. Wenn der Anteil nur drei Prozent beträgt, würde die Nutzeranzahl bis 2020 allein durch diesen Effekt um 5,3 Millionen steigen.
Zusätzlich will Netflix im nächsten Jahr sechs Milliarden Dollar in das stärkste Segment, die Eigenproduktionen, investieren. Deshalb rechnet Schackert bei einem aktuellen Stand von knapp 97 Dollar mit einem Kursziel von 145, im besten Fall sogar von 185 Dollar.
Konkurrenzdruck steigt
Noch führt Netflix die Liste der beliebtesten Streaming-Dienste an. Vor allem wegen erfolgreicher Eigenproduktionen wie Orange is the New Black oder Stranger Things ziehen viele Leute Netflix der Konkurrenz vor. Aber der Druck von den amerikanischen Mitstreitern Amazon Prime und Hulu wird immer größer.
Auch die deutschen TV-Sender schauen nicht teilnahmslos zu, wie Netflix hierzulande das Schlachtfeld übernimmt. RTL setzt deshalb immer stärker auf selbstproduzierte Inhalte. Der deutsche Medienkonzern will die konzerneigenen Produktionsfirmen und das Digital-Geschäft zum Beispiel durch Zukäufe weiter stärken. Dafür stellt RTL jährlich 250 Millionen Euro bereit.
Abwarten
Die Aktie hat sich im August erholt und fast wieder das Niveau von vor den Quartalszahlen erreicht. Die positiveren Analystenstimmen haben der Aktie in der letzten Woche einen kleinen Schub verpasst. Trotzdem ist sie immer noch gut drei Dollar von der 200-Tage-Linie bei 100,57 Dollar entfernt. Derzeit ist die Aktie mit einem 2017er-KGV von 92 bewertet.
Auch wenn die Zukunft von Netflix nicht ganz so düster aussieht, wie nach den Quartalszahlen von einigen Analysten vorhergesagt, ist es noch zu früh für einen Kauf der Aktie. Bislang wurde kein frisches Kaufsignal generiert. Außerdem sollte der Konkurrenzdruck nicht vernachlässigt werden. In Deutschland konnte Amazon Prime Netflix jüngst Marktanteile abgreifen. Deshalb rät DER AKTIONÄR derzeit nicht zu einem Kauf.