Mitte März machte die Mutares-Tochter Steyr Motors durch sensationelle Kurssprünge auf sich und auf die Mutter aufmerksam. Nun gibt es den Verdacht, dass bereits im Vorfeld der brisanten Adhoc-Mitteilung möglicherweise Insider Bescheid wussten und vorab Steyr-Aktien kauften. Es wird geprüft, ob alles seine Richtigkeit hatte oder ob Anlegern Schadensersatz zusteht.
Am Nachmittag des 18. März 2025 veröffentlichte die im SDAX gelistete Mutares SE & Co KGaA eine Adhoc-Mitteilung: Zur Stärkung der deutschen Rüstungsindustrie und vor dem Hintergrund "der sehr starken Nachfrage nach Aktien der Steyr Motors AG" habe Mutares "beschlossen, den Streubesitz der Steyr zu erhöhen", heißt es darin. Und weiter: "Zu diesem Zweck hat sich Mutares ... heute auf eine Zustimmung zur Aufhebung der unter der Listing-Vereinbarung derzeit noch bestehenden Halteverpflichtung (Soft Lock-Up) verständigt."
Diese Entscheidung ermöglichte es, größere Aktienpakete kurzfristig am Markt zu platzieren. Man wollte also die kräftigen Kurssteigerungen bei Steyr Motors zum lukrativen Verkauf von Anteilen nutzen, sei aber "weiterhin sehr von der positiven Entwicklung
der Steyr überzeugt und beabsichtigt, auch weiterhin eine wesentliche
Aktionärin der Steyr zu bleiben".
Nach dieser Mitteilung stürzte der Xetra-Kurs der Steyr-Aktie vom zuvor am Vormittag markierten Allzeithoch bei 384 Euro auf 240 Euro ab. An manchem Börsenplatz wurden im Hoch sogar Kurse oberhalb der 400-Euro-Marke gestellt. In den Tagen danach rauschte der Kurs abwärts auf zuletzt nur noch 50 Euro am Dienstag zum Xetra-Schluss. Dort stand die erst seit Oktober 2024 börsennotierte Steyr-Aktie zuletzt am 13.März 2025.

Der massive Kursanstieg im Vorfeld der Aufhebung der Lock-up-Frist bei Steyr Motors und auch bei der Mutter Mutares, die weiterhin die Mehrheit an den Österreichern hält, lässt nun Vermutungen über mögliche Insider-Käufe sprießen. Es besteht der Verdacht, dass Informationen über den Verkauf von Steyr-Aktien selektiv vorab zugänglich waren.
Eine auf Kapitalmarkt-Recht spezialisierte Kanzlei sammelt bereits Anleger, die von den massiven Kursturbulenzen betroffen sind. Denn sollte sich bestätigen, dass einzelne Marktteilnehmer durch vorzeitige Kenntnis einen Vorteil erlangt haben, wären Verstöße gegen Art. 8 (Insiderhandel) sowie Art. 12 und 15 MAR (Marktmissbrauchsverordnung) denkbar.
Die dramatischen Kursschwankungen werfen "gravierende Marktintegritäts- und Transparenzfragen" auf, heißt es seitens der Kanzlei. Rechtsanwalt Jens Reime bereitet die Bündelung von Klagen zur Prüfung kapitalmarktrechtlicher Offenlegungspflichten, der Verantwortung der Emissionsbank und der Geltendmachung von Schadensersatz vor. Er fordert auch eine umfassende Untersuchung durch die Wertpapieraufsicht der BaFin.
Ein Sprecher der Finanzaufsicht bestätigte auf Anfrage von DER AKTIONÄR, dass man auffällige Kursschwankungen untersuche – routinemäßig. Erst wenn sich Hinweise auf mögliche Insider-Verstöße verdichteten, werden strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet. Noch ist es nicht soweit, doch Reime bietet betroffenen Anlegern bereits per kostenfreier Hotline "eine realistische Einschätzung der rechtlichen und wirtschaftlichen Ausgangslage für jeden Anleger" an. Gegenüber DER AKTIONÄR sagte Reime: "Es sieht nach Pump and Dump aus." Möglicherweise haben Angestellte der beteiligten Firmen Informationen schon vor der Ad-hoc-Mitteilung erhalten. Mehr als 100 Anleger hätten sich bereits bei Reime registriert.
Der Nachweis von vorsätzlich getätigten Insider-Geschäften ist grundsätzlich schwierig. Auch im Fall Mutares/Steyr gab es im betreffenden Zeitraum auch Presse-Artikel, die beide Aktien behandelten. So schrieb etwa das Portal Plusvisionen am 14.März: "Im direkten Vergleich erscheint Mutares derzeit als Investment attraktiver." Und einen Tag später brachte auch ShareDeals einen Artikel, was die beiden Aktien möglicherweise beeinflusste.
Mutares-Chef Johannes Laumann wollte im Interview mit DER AKTIONÄR in der vergangenen Woche keine Einzelheiten zur Menge der zu veräußernden Steyr-Aktien verraten. Nur so viel: "Wir sind absolut von der positiven Entwicklung von Steyr Motors überzeugt und wollen auch weiterhin ein wesentlicher Aktionär bleiben. Allerdings sind wir kein Evergreen-Investor und wollen irgendwann unsere Anteile komplett verkaufen. Ob dazu aktuell der richtige Zeitpunkt ist, weiß ich nicht und ist am Ende eine Frage des Preises."
Die Mutares-Aktie war zuletzt zeitweilig unter die 31-Euro-Marke gerutscht, bewegte sich am Dienstag jedoch wieder deutlich aufwärts und schloss mit mehr als vier Prozent Kursplus bei 32,70 Euro.

Hinter dem aktuellen Kursgewinn steckt vermutlich vor allem eine Meldung zu Alcura France. Das Portfolio-Unternehmen der Mutares SE & Co. KGaA hat nach Angaben der Münchener Beteiligungs-Gesellschaft ein unwiderrufliches Angebot zum Verkauf seines Geschäftsbereichs für häusliche Gesundheitsversorgung (PSAD) erhalten. Käufer sei die Santé Cie Group, ein Anbieter im Bereich ambulanter Pflege in Europa.
Die Beteiligung an Steyr Motors und auch die Mutares-Tochter Alcura France sorgen derzeit für Furore. Der Verdacht möglicher Insider-Vergehen schwebt zwar über Mutares. Doch die weiterhin mit einem KGV von 7 günstig bewertete Mutares-Aktie bleibt längerfristig aussichtsreich.
DER AKTIONÄR hatte die Mutares-Aktie in Ausgabe 12/2025 ebenfalls vor der marktbewegenden Ad-hoc-Mitteilung zum Kauf empfohlen. Das Kursziel für den SDAX-Werte wurde innerhalb weniger Tage erreicht und aufgrund des einsetzenden Hypes rund um die Steyr-Aktie zeitweise deutlich überschritten. Die Gewinne sollten per Stopp abgesichert werden.