Nach Richard Branson, der mit einem von Virgin Galactic entwickelten Raketenflugzeug kürzlich in den Orbit flog, will in der nächsten Woche auch Jeff Bezos abheben. Gemeinsam mit anderen Gutbetuchten lässt er sich sogar in eine Höhe von gut 100 Kilometer schießen. Weltraum-Tourismus soll bereits in wenigen Jahren erschwinglich sein. Ein Trend auch für Anleger?
Kein Geringerer als Börsen-Experte Hans A. Bernecker macht sich für die Raumfahrt stark. In einem Interview der Kollegen vom Portal Onvista sagt er: „Raumfahrt ist das neue Thema. Nichts führt daran vorbei, so ähnlich wie bei der Mondfahrt im Juli 1969 und den daraus entstandenen technischen Innovationen aller Art. Den ersten drei Pionieren werden weitere folgen und Firmen, die auf diesem Gebiet tätig sind.“ Die Frage, ob man nun langfristig mit der Pionierfirma Virgin Galactic gut beraten sei, ließ Bernecker unbeantwortet.
Die angesprochenen Pioniere sind Sir Richard Branson, Jeff Bezos und Elon Musk. Sie sind allerdings nur die ersten Superreichen unter den Raumfahrt-Pionieren, die das Abenteuer ‘für jedermann‘ ermöglichen wollen und werden.
Virgin Galactic startet Weltraum-Tourismus
Der Chef von Virgin Galactic ist am 11. Juli 2021 als erster Milliardär erfolgreich ins All geflogen. Mit seinem Raketenflugzeug "VSS Unity" flog Richard Branson mit drei weiteren Passagieren und zwei Piloten in dreifacher Schallgeschwindigkeit bis in 86 Kilometer Höhe über der Erde und erlebte etwa drei Minuten Schwerelosigkeit. Inklusive Start mit Trägerflugzeug und Rückflug zur Erde dauerte der ganze Spaß gut eine Stunde (DER AKTIONÄR berichtete).
Die Aktie von Virgin Galactic zog vor dem medienwirksam umgesetzten Weltraumflug kräftig an. Nach erfolgreicher Rückkehr der Astronauten sackte das nur in New York gehandelte Papier ab. Von 50,57 Dollar am vergangenen Montag ging’s zwischenzeitlich bis auf 31,15 Dollar am Freitag in die Tiefe – ein Wochenverlust von 38 Prozent.
Kapitalerhöhung vergrätzt
Schuld an dem freien Fall ist unter anderem die Ankündigung einer Kapitalerhöhung. Zur Finanzierung weiterer Weltraum-Projekte werden 500 Millionen Dollar aufgenommen. Zudem hatte die Börsenbewertung galaktische Dimensionen erreicht. Über elf Milliarden Dollar Marktwert standen im vergangenen Jahr verschwindend geringen Erlöse und einem Millionenverlust gegenüber. In den kommenden Jahren sollen die Ergebnisse aber kometenhaft anziehen.
Die Auftragsbücher sind voll, die potenzielle Gewinnspanne könnte gewaltige Dimensionen annehmen. Auch wenn erste Tickets für den schwerelosen Start zunächst nur für sehr vermögende Kunden infrage kommen – Virgin Galactic verlangt 250.000 Dollar – dürfte ein künftiger Boom des Weltraumtourismus kaum aufzuhalten sein. Auch die ersten Verkehrsflüge vor fast 100 Jahren waren anfangs nur für Reiche erschwinglich.
Virgin Galactic wird schon in naher Zukunft ernsthafte Konkurrenz von Blue Origin bekommen. Das (noch) nicht börsennotierte Unternehmen des Gründers von Online-Handelsriese Amazon arbeitet seit Jahren an einem Programm für private Raumflüge. Viele Testflüge wurden erfolgreich absolviert. Am kommenden Dienstag, 20. Juli 2021, will dann Jeff Bezos selbst ins All aufbrechen.
Höher und länger als Branson im All
Dass Richard Branson dem schon länger bekannten Bezos-Termin zuvorkam und Ehre sowie mediale Aufmerksamkeit einheimste, ärgert den reichsten Mann der Welt gewaltig. Aber Jeff Bezos kontert: Sein Flug wird mit über 100 Kilometer Höhe tatsächlich außerhalb der Erdatmosphäre führen. "New Shepard" hat er seine Rakete genannt – in Anlehnung an Alan Shepard, den ersten US-Amerikaner im All 1961. Sein Kurztrip am 20. Juli ist außerdem auf den Tag genau 52 Jahre nach der ersten Mondlandung angesetzt – und nun eben neun Tage nach Bransons Flug. "Seit meinem fünften Lebensjahr träume ich davon, ins All zu reisen", sagte der 57-jährige Bezos.
Um diesen Traum zu verwirklichen, hat Bezos schon vor rund 20 Jahren Blue Origin gegründet. Im Westen von Texas hat die Firma in den vergangenen Jahren die Rakete "New Shepard" entwickelt und getestet. Mitte April hatte Blue Origin "New Shepard" zuletzt getestet (siehe Bilderstrecke).
Ältester und jüngster Mensch im All
Nach dem Start mit dem wiederverwendbaren Booster wird die Kapsel abgetrennt und die Passagiere werden etwa zehn Minuten Schwerelosigkeit genießen. Danach soll sie wieder in die Erdatmosphäre eintreten und durch große Fallschirme abgebremst in der texanischen Wüste landen.
Bezos hat weitere Superlative für seine Space-Premiere zu bieten. Sein Unternehmen wird nach Firmenmitteilung gleich zwei Altersrekorde brechen. Mit der 82-jährigen US-Pilotin Wally Funk wird der bislang älteste Mensch im Weltraum sein. Und als Nachrücker fliegt Oliver Daemen mit, ein junger Niederländer, der erst im vergangenen Jahr seine Schule abgeschlossen hat und im September ein Physik-Studium in Utrecht beginnt. Er wird als 18-Jähriger der bislang jüngste Astronaut im All sein.
Abgesehen von den öffentlichwirksamen Touri-Aktionen ist Bezos mit Amazon auch mit weltraumbezogenen Cloud-Projekten am Start. Prognosen sehen den Markt für weltraumbezogene Cloud-Dienste bis 2030 vor einer Vervielfachung. Potenzial: 15 Milliarden Dollar.
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Raumfahrt-Museum freut sich
Gerade hat sich Jeff Bezos zudem mit einer Millionen-Spende in den US-Annalen verewigt. Er spendet dem Luft- und Raumfahrtmuseum in der Hauptstadt Washington 200 Millionen US-Dollar. Es handle sich um die größte Spende an die Museen seit der Gründung der Smithsonian Institution im Jahr 1846, hieß es in einer Mitteilung weiter.
Rund 70 Millionen Dollar der Spende sollen für die Renovierung des Museums genutzt werden. Der Rest soll für den Neubau eines Lernzentrums eingesetzt werden, das nach Bezos benannt werden wird, wie die Smithsonian-Museumsgruppe am Mittwoch mitteilte.
Bezos selbst will die Raketenfertigung über sein Unternehmen Blue Origin bei Cape Canaveral in Florida noch deutlich ausbauen. Er hat weitere Raumfahrt-Pläne, etwa seine Mondlandefähre "Blue Moon". Die soll bereits in etwa zwei Jahren Waren auf den Erdtrabanten bringen.
Auch E-Auto-Pionier Elon Musk ist im All dabei. Mit seinem Unternehmen SpaceX ist er gleich in verschiedenen Raumfahrt-Projekten involviert. Er bringt tausende von Satelliten für sein Starlink-Projekt in den Orbit, bringt Personen oder Material zur Internationalen Space Station (ISS) und will bald auch für Privatpersonen Weltraum-Flüge anbieten. Ganze Erdumrundungen sind mit der "Dragon"-Kapsel in der Planung.
Doch es kommt noch besser: Schon 2023 wollen SpaceX-Raketen Touristen um den Mond fliegen. Unter anderem wird der japanische Milliardär Yusaku Maezawa an Bord sein. Noch für dieses Jahr ist ein vom US-Milliardär Jared Isaacman bei SpaceX gebuchter Flug in den Weltraum vorgesehen.
Und für das kommende Jahr hat das US-Unternehmen Axiom Space gemeinsam mit SpaceX und der US-Raumfahrtbehörde NASA einen touristischen Raumflug zur ISS geplant. An Bord sollen vier Männer aus den USA, Kanada und Israel sein – für rund 55 Millionen Dollar pro Ticket.
Während viele Probleme auf der Erde noch nicht gelöst sind, streben viele Unternehmen Richtung Raumfahrt. Was derzeit nach einem Ego-Wettlauf von Milliardären aussieht, dürfte in den kommenden Jahrzehnten zu einem großen Trend werden. Direkte Investments in reine Space-Unternehmen sind derzeit kaum möglich. Virgin Galactic ist extrem volatil, Raumfahrt-Unternehmen wie OHB sind als Zulieferer noch in relativ kleinen Dimensionen engagiert. Gut möglich, dass SpaceX bald an die Börse geht, um weiteres Kapital für die Expansion einzusammeln.
Ansonsten sind diverse Unternehmen mit Teilbereichen in der Raumfahrt engagiert – etwa Airbus, Boeing oder Lockheed Martin. Eine Möglichkeit, in einen neuen Index aus Space-Firmen zu investieren, finden Sie in der neuen Ausgabe von DER AKTIONÄR.
Mehr zum Weltraum-Wettlauf und in welche Produkte Anleger bereits heute investieren können, lesen Sie in der aktuellen Ausgabe von DER AKTIONÄR. Nummer 29/21 können Sie hier einfach online herunterladen.